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Donnerstag, 19. Juli 2012
Gelesen: Hiob (von Joseph Roth)
Mendel Singer ist ein gottesfürchtiger jüdischer Lehrer in Russland. Sein Gehalt reicht kaum aus, um sich, seine Frau und seine drei Kinder zu ernähren. Sein Glaube gibt ihm Halt, er ist mit seinem Leben zufrieden. Ein Unglück bahnt sich jedoch an, als sein viertes Kind, Menuchim, mit geistigen und körperlichen Gebrechen geboren wird und einfach nicht anfangen möchte zu reden. Mendel sieht es als eine Strafe Gottes, glaubt gottesfürchtiger werden zu müssen. Äußere Hilfe, von Ärzten oder Rabbinern lehnt er ab. Dadurch entfremdet er sich von seiner Frau. Im Folgenden wird sein ältester Sohn zum Militär eingezogen, sein zweiter Sohn desertiert nach Amerika und seine Tochter beginnt ein Verhältnis mit einem Kosaken. Das veranlasst ihn, mit der Familie (ohne seinen eingezogenen Sohn und Menuchim) ebenfalls nach Amerika zu ziehen. Dort lebt er zunächst von den Gewinnen seines zweiten Sohnes, alles scheint gut zu werden. Seine Tochter lebt allerdings ein immer nymphomaneres Leben. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges fällt seine Welt endgültig zusammen. Sein erster Sohn wird an der Ostfront vermisst, sein zweiter fällt an der Westfront. Seine Frau stirbt, seine Tochter wird verrückt. Dadurch wendet sich Mendel von Gott ab, bis ihn ein Wunder wieder auf den rechten Weg bringt.

Der Titel des Romans macht bereits klar, dass Mendel Singer viel Leid erfahren muss. Der Name Hiob verweist aber auch auf das göttliche Wunder, das am Ende vieles wieder zum Guten fügt. Für die Geschichte ist der Zusatz des Romanes - „Roman eines einfachen Mannes“ - wichtig. Mendel ist zu Beginn des Romans mit seinem Leben zufrieden. Er strebt nach nichts Höherem als das, was Gott ihm zugesteht. Lange verharrt er in der resignierten Haltung, obwohl ihm bereits viel Unrecht geschieht. Sein Schicksal steht dabei stellvertretend für viele osteuropäische Juden, die der Armut durch Auswanderung entfliehen wollen. In Amerika stehen sie vor der Frage der Assimilation oder des Fliehens in eine Parallelgesellschaft. Mendels Sohn übernimmt die amerikanische Kultur und legt seinen jüdischen Hintergrund samt Namen ab. Für die Vereinigten Staaten zieht er sogar in den Krieg. Mendel wiederum lernt nicht einmal englisch, sondern beschränkt seinen Umgang rein auf die Bewohner des jüdischen Viertels.Für ihn ist Amerika eben so wenig ein Land, in dem er sich selbst verwirklichen kann, wie Russland.

Der Roman wirkt als sei er in der schlichten Denkweise Mendels geschrieben. Dabei hat der beinahe allwissende Erzähler durchaus Einblicke in die Gedankenwelt anderer Charaktere wie Mendels Frau Deborah oder seiner Tochter Miriam. Das erzeugt einen angenehmen Ton, der die Katastrophen auf der einen Seite erträglich macht, in seiner Toleranz und Ergebenheit aber Widerstand im Leser erweckt. Dabei sind die Schicksalsschläge der Frauen und Menuchims kaum verhinderbar, während die beiden erstgeborenen Söhne durch das Fehlverhalten einer ganzen Zivilisation im Weltkrieg untergehen.

Das Wunder zum Schluss ist dann ein simples Ende, was dem auf eine biblische Vorlage anspielenden Titel Rechnung trägt. Der 1930 erschienene Roman verdeutlicht das harte Leben osteuropäischer Juden in Osteuropa und in Amerika. Dabei wird das erste Leben als kärglich aber heimelig, das zweite als reicher, aber wurzelloser beschrieben. Tragischerweise weiß man, dass gerade einmal etwas mehr als ein Jahrzehnt nach dem Erscheinen des Romans die osteuropäische jüdische Kultur von den Nazis beinahe ausgerottet wurde. War das Leben einfacher Männer bereits vorher beschwerlich, wartete kein Wunder, sondern das grausamste Verhalten, das je von Menschen begangen wurde.

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