Neue Homepage: Ich habe eine neue Homepage, die man unter www.gedankenecke.com erreicht. Zur Zeit werden Stück für Stück die mittlerweile über 1 000 Beiträge dieses Blogs von mir rüberkopiert (bin bei Oktober 2008 angekommen) und die neuen Artikel seit "Homepagegründung" sind da ebenfalls zu finden. Der größte Vorteil, den die neue Seite bietet ist, dass endlich jeder kommentieren kann und man sich nicht mehr registrieren braucht.
Dienstag, 17. Juli 2012
Gehört: Wir sind am Leben (Rosenstolz-Album)
Nachdem ich mir, von der ersten bis zur letzten Liedrezension des Album vergingen über neun Monate, genügend Zeit für einen Gesamteindruck des im September erschienenen, aktuellsten Rosenstolz-Album genommen habe, kann ich für mich sagen: Das Album ist gut und hat an einigen Stellen das Potential sehr gut zu sein. Der erste Eindruck allerdings war ein ganz anderer.

"Wir sind am Leben", das erste Lied, war als Single bekannt. "Überdosis Glück" und "Lied von den Vergessenen" hören sich gut an, sind beim ersten Mal Hören textlich aber unansprechend. Das erste Highlicht war "Sprachlos", das sprachlich schön und textlich gut daherkommt. Den Tiefpunkt des Albums markierte beim Ersthören "Mein Leben im Aschenbecher", ein Eindruck, der sich bis heute nicht geändert hat. Der darauf folgende Mittelteil des Albums wirkt zunächst unbedeutend, ja fast unsinnig. "Marilyn" und "Wir küssen Amok" haben kaum Höhen und Tiefen, die einen Aufhorchen ließen. "E.N.E.R.G.I.E." klingt wiederum so schräg, dass das nachfolgende, rhythmisch monotone "Flugzeug" geradezu beruhigend wirkt. Textlich wirken die ersten drei Mittelteillieder zunächst unsinnig, das letzte banal. Die abschließenden beiden Lieder "Irgendwo in Berlin" und "Beautiful" ließen jedoch einen ordentlichen Eindruck zurück, wobei die "Make it beautiful now"-Wiederholungen am Schluss etwas langatmig wirkten. Insgesamt war der erste Eindruck aber äußerst ernüchternd. Nach dem genialen Vorgänger, der zudem auch noch eingängige Lieder aufweist, ist "Wir sind am Leben" doch zunächst ernüchternd.

Dieser Eindruck hat sich freilich gewandelt. Die Rezensionen belegen das. Zwar dominiert das Burnout-Thema das Album und einige Lieder behandeln es wohl zu intensiv, aber an vielen Stellen ist das Wissen um Peter Plates Erkrankung erst der Schlüssel um die durchaus interessanten Botschaften der Lieder zu verstehen. Gerade der mittlere Teil bietet an vielen Stellen durchaus nachdenkenswerte und gelegentlich sogar erhellende Texte. Die zu Beginn etwas unaufregend wirkenden Lieder "Überdosis Glück" und "Lied von den Vergessenen" wirken mit der Zeit sogar schmissig und unterhaltsam. Vor allem aber reift das Ende. Herausragend ist dabei das Ende. "Beautiful" ist eines der Lieder, die mit jedem Mal hören besser und intensiver zu werden scheinen. "Wir sind am Leben" ist also eines jener Alben, das leicht zu unterschätzen ist. Die Lieder sind entweder zu eingängig, sodass sie unbeachtet durchlaufen oder aber zu sperrig, sodass sie nicht auf den ersten Höhranlauf gefallen. Dabei bietet das Album eine große Bandbreite von nachdenklich-traurigen, über sehnsüchtige bis hin zu fröhlichen, gar motivierenden Texten. Erst mehrmaliges, intensiveres Hören lässt die Eigenschaften der einzelnen Tracks zutage treten, sodass das Album geschätzt werden kann. Wer dazu bereit ist, etwas Rosenstolz-Affinität und eine gewisse Toleranz für das Burnout-Thema mitbringt, für den ist "Wir sind am Leben" ein gutes, mitunter gar sehr gutes Album.

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Dienstag, 3. Juli 2012
Gehört: Beautiful (von Rosenstolz)
Das letzte Lied des Rosenstolz-Albums "Wir sind am Leben" ist lang und überzeugend. Das Lied greift eine Situation der Trauer und Einsamkeit auf und verbindet diese mit der Hoffnung und Bitte an jemanden, diese Situation zu lösen. Dabei werden überzogene Erwartungen formuliert, die in dem Satz "Make it beautiful now" münden.

"Beautiful" beginnt mit leichten Klavierklängen, die den Gesang in der ersten Strophe und im Refrain betonen. In der zweiten Strophe treten Bässe dazu, die sich zum Refrain hin steigern. Die ganze Zeit über erklingen sehr dezente Streicher im Hintergrund, die nach dem zweiten Refrain in den Vordergrund treten, die dritte Wiederholung des Refrains über weiter gespielt werden und am Ende während der mehrfachen Wiederholung der Zeile make it beautiful now sehr laut erklingen.

Das Lied besteht aus zwei Strophen. In der ersten Strophe wird die verlorene und orientierungslose Situation thematisiert. Viel zu lange war ich fort, find nicht mehr nach Haus, fasst die Botschaft am Ende der Strophe zusammen. Die zweite Strophe wiederholt betont die Einsamkeit der vorherigen Situation (große Sehnsucht, große Stadt), bringt aber zusätzlich noch eine gescheiterte Beziehung in die Handlung, Traum von Liebe ist geplatzt. Dem schließt aber gleich danach die erwünschte und erhoffte Rettung an: Herz verloren, unbewacht, bringst Du mich nach Haus. Bereits im Liedtext ist also darauf hingewiesen, dass es eine andere Person braucht, um die Situation zu durchbrechen.

An dieser Person wird im Refrain appelliert. Bei ihr wird nach Bestätigung für Sicherheit (Sag, dass Du heut bei mir bleibst), Hilfe (meine Wunden wieder heilst), Zuversicht (Küss die Angst aus meinem Gesicht, leuchte heute nur für mich) gesucht. Vor allem aber sollen die Einsamkeit und die Orientierungslosigkeit durchbrochen werden (Lass mich nicht mehr alleine hier, bring mich nach Haus). Das sind sehr hohe Erwartungen. Es ist aber in einer traurigen und etwas verzweifelten Situation die größte Hoffnung: Dass es jemanden gibt oder geben wird, der einen von der Lage ablenkt und neue Zuversicht gibt. Dann fällt es schnell leicht, diese großen Erwartungen zu erfüllen.

Ein Zwischenspiel vor der dritten Wiederholung des Refrains ist eine Erklärung des Ziels (bring mich nach Haus). Es ist eine kleine Ode an die Sicherheit und das Wohlbefinden, dass eine lokale oder aber nur geistige Heimat bietet. Dort läuft die Zeit anders als in der Fremde (Wo die Zeit nicht so schnell rennt), dort tritt man selbstsicherer und wahrhaftiger auf (Wo ich sein kann, was ich bin, Wo die Angst mich nicht regiert) und zuletzt erfühlt man dort Sicherheit und Orientierung (Wo ich mich nicht mehr verlier). Das Zwischenspiel macht aber auch sehr deutlich, dass dieser Zustand an dem derzeitigen Ort in der derzeitigen Lage nicht erreicht werden kann: Bring mich weg, bring mich fort von hier.

An die dritte Refrain-Wiederholung schließt sich dann, gesungen von einem australischen Sänger, die titelgebende Zeile an: Make it beautiful now. Das ist eine unglaublich übertriebene Erwartung. Schließlich kann nicht eine einzelne Person alle Probleme, alle Schwierigkeiten, die man mit sich herum schleppt wieder richten und "schön" machen. Das ist aber auch nicht die Aussage des Liedes.

Stattdessen vermittelt es tatsächlich mit den Strophen und der Melodie den Eindruck einer traurigen, melancholischen Situation. Es macht aber deutlich, dass es daraus einen Ausweg gibt. Das ist der "leidenden" Person durchaus bewusst. Die externe, angesprochene Person macht also keineswegs alles wieder "schön". Stattdessen wird sie dafür benötigt, den Ausweg, der aus eigener Kraft nicht erkennbar ist, aufzuzeigen. Das geht vor allem durch die im Refrain erbetene Nähe.

"Beautiful" ist auf diese Weise tatsächlich ein sehr schönes Lied. Es wird nicht nur von einer angenehmen Melodie getragen, sondern bringt den Hörer von einer melancholischen in eine äußerst zuversichtliche Stimmung. Gerade die Streicher zum Schluss erwecken tatsächlich den Eindruck einer sich aufklärenden Lage, die durch jedes "beautiful" ein Stück besser ist. Gleichzeitig bedient das Lied die in einer traurigen, einsamen Situation immer angelegte Sehnsucht nach einer helfenden Person.

Das Album "Wir sind am Leben" wird, nach vielen Liedern, die die eigene Lebensführung hinterfragen sollen, mit einem zuletzt sehr zuversichtlichen Lied abgerundet. Gleichzeitig ist "Beautiful" auch das stärkste und beste Lied des Albums.

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Dienstag, 26. Juni 2012
Gehört: Touristen (ARD-Radiotatort)
Die Berliner Kommissarin Katharina Holz hat sich umgebracht, ein schwerer Schlag für ihren Ermittlungspartner Andreas Polanski. Doch er weigert sich, seine Trauer erst einmal zu verarbeiten, sondern stürzt sich in einen Fall. Ein Amerikaner wurde in Berlin ermordet. Zunächst gibt es keine Hinweise. Doch dann wird Andreas von einem zwielichtigen, aber berühmten Boulevardjournalisten angesprochen. Der bietet ihm einen Deal an. Wenn Andreas ihm Dokumente liefert, die beweisen, dass seine Partnerin durch Mobbing zum Selbstmord getrieben wurde, werden ihm Informationen zum Mordfall geliefert.

"Touristen" ist ein sehr düsterer Tatort. Dabei gibt es keine grausamen Fall, doch die Rahmenbedingungen stimmen bis zum Ende nicht. Andreas leidet schwer unter dem Selbstmord seiner Kollegin. Leider ist dieser etwas unverständlich. Der vergangene Tatort aus Berlin hat darauf nicht hingewiesen. Der Selbstmord kommt daher überraschend, bis zum Schluss wirkt er nicht glaubwürdig. Dieser Radiotatort leidet darunter, denn auch Andreas Trauer überzeugt dadurch nicht. Das Unverständnis des Zuhörers ist ein anderes als der Unglauben von Andreas. Schade.

Der Fall selbst ist klug konstruiert. Der Boulevardjournalist führt Andreas zu einem alten Ehepaar. Die Frau ist die Tochter eines ehemaligen KZ-Kommandanten. Ihr Mann aber ist jüdischer Herkunft, der seine komplette Familie in den Lagern der Nazis verloren hat. Daher hat sie ihm in 53 Ehejahren nicht verraten, wer ihr Vater wirklich war. Sie wird von einem amerikanischen Ermittler, der eigentlich alte Nazi-Kriegsverbrecher jagen soll, erpresst. Dieser Ermittler ist das Mordopfer. Hieraus entsteht zwar keine Spannung, aber der Hörer hat Mitgefühl mit der alten Frau.

Letztlich ist sie nicht die Täterin. Doch Andreas kann die Ermittlung nicht ganz zu Ende bringen. Er hat dem Boulevardjournalisten nämlich nicht die Daten geliefert, die dieser gerne gehabt hätte. Daher zettelt der Journalist eine Intrige an, durch die Andreas sich in einem Bürojob wiederfindet. Zwar hat sich Andreas nicht ganz richtig verhalten - er ignorierte Anweisungen, ermittelte rücksichtslos allein - doch die Strafversetzung ist ungerechtfertigt.

Dieser Handlungsstrang soll die Macht des (Boulevard)Journalismus verdeutlichen. Der Fall kann nur mit den Hinweisen des Journalisten aufgedeckt werden. Andreas ist also auf ihn angewiesen. Da er keine falschen Gerüchte in die Welt setzen will, belügt er den Journalisten. Der zahlt es ihm mit der Anzettlung einer Strafversetzung heim. Andreas hat somit alles in seiner Macht stehende getan, um den Fall aufzulösen. Doch bei dem Versuch an die Informationen zu gelangen und gleichzeitig sein Gewissen rein zu halten, hat er seine Stellung innerhalb der Polizei aufgegeben. Das ist eine interessante Handlung, mit einer überzeugend tragischen Komponente.

"Touristen" ist ein müder Tatort, der keinen wirklich spannenden Fall bietet. Der große Handlungsstrang um den Suizid Katharina Holz wirkt unglaubwürdig. Diese Geschichte hätte man lieber nicht erzählt. Die einzig gelungene Komponente des Falls ist die Handlung um den Einfluss des Journalismus auf die Polizeiarbeit. Das Potential dieser Erzählebene wird jedoch bei weitem nicht ausgereizt, sie reicht nicht für einen guten Tatort.

Der Radiotatort ist noch bis zum 16. Juli auf der Homepage der Reihe herunterladbar.

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Dienstag, 19. Juni 2012
Gehört: Irgendwo in Berlin (von Rosenstolz)
Das vorletzte Lied auf dem Album "WIr sind am Leben" ist eine Liebeserklärung an Berlin. Zu einem dezenten Rhythmus, der anfänglich aus Klavierklängen, später auch aus Bass und Gitarre besteht, singt AnNa R. erst leise, später mit mehr einsetzenden Instrumenten lauter, die anhimmelnden Zeilen.

Obwohl Berlin durch den Krieg geteilt, nach der Wende mit Bausünden ausgestattet und dadurch heute ohne Zentrum dasteht (Hat Dein Herz auch Narben) , ist es doch eine offenherzige Stadt (Deine Tür bleibt immer auf), die niemanden wieder loslässt. Obwohl man regelmäßig etwas Abstand zu der Stadt braucht, bestätigt dieser doch immer wieder nur, wie gut Berlin tut (doch damit ich sicher bin, muss ich immer wieder fliehn). Die Stadt kann dem Bewohner ein Gefühl von Heimat geben (Irgendwo in Berlin, gehör ich hin).

Daher transportiert der erste Teil des Refrains mehrere Erinnerungen an Berlin (In dieser Stadt da lernt ich küssen). Der zweite Abschnitt dreht sich hingegen um die Gegenwart in Berlin (sie spielen unser Lieblingslied, in den Straßen von Berlin). Mit dem Refrain wird in dem Stück relativ frei umgegangen. Er wird nach der zweiten Strophe noch einmal wiederholt, dann fällt der erinnernde Teil weg. Stattdessen fokussiert sich die zweite Hälfte des Stückes allein auf die Wiederholung der Aufforderung: Lass uns tanzen. Eine Aktivität zu der Berlin wohl geradezu einlädt.

In der zweiten Strophe werden noch drei weitere Besonderheiten Berlins genannt. Das Alter und die Geschichtsträchtigkeit stehen der Stadt gut (Du bist älter geworden und das steht Dir ziemlich gut). Zweitens ist die Stadt trotz aller Widrigkeiten schön (Du weißt Dich so gut zu kleiden) und zeigt das vor allem nachts (richtig schön bist Du bei Nacht). Zuletzt ist die Stadt von überzeugender Ehrlichkeit gezeichnet (Und Du sagst, was Du meinst).

"Irgendwo in Berlin" ist ein Liebeslied an die Bundeshauptstadt. Dabei ist die größte Schwäche des Liedes, dass es tatsächlich konkret eine Stadt benennt. Aus demselben Text ohne konkreten Berlinbezug wäre ein Lied geworden, dass auf viele (Heimat)Städte und sogar auf Personen bezogen werden könnte. Aber als Berliner Band ist es natürlich verständlich, dass Rosenstolz ihre Heimatstadt konkret preisen wollen.

Trotz der mangelnden Projektionsfähigkeit auf persönliche Themen gehört "Irgendwo in Berlin" mit seiner ruhigen und melancholischen Art zu den Highlights der Platte. Es wirkt weniger sperrig als "E.N.E.R.G.I.E" und weniger beliebig wie das inhaltlich gute "Marilyn". Damit ist es ein eingängiges, bewegendes Lied, das man aber wohl erst richtig fühlen kann, wenn man lange Jahre in Berlin gewohnt hat.

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Dienstag, 12. Juni 2012
Gehört: Flugzeug (von Rosenstolz)
Rhythmisch ist dieses Lied sehr eintönig. Wie ein durchschnittlicher Disko-Song knallt der Bass im Hintergrund, dazu ertönen gelegentlich Synthesizer. Diese Gleichmäßigkeit hebt das Lied aber ab von dem wilden E.N.E.R.G.I.E. und dem sehr ruhigen Wir küssen Amok, die auf der Platte davor sind. Gleichzeitig fällt auf, dass nur in diesem Lied bereits die Töne für gute Laune sorgen. So schlicht der Rhythmus auch ist, er hat einen offensichtlichen Vorwärtsdrang. Anders als die teilweise sehr in sich gekehrten, verzweifelt-hoffenden Lieder zuvor drückt "Flugzeug" grenzenlosen Optimismus aus.

Vergleichbar ist das auf dem Album nur mit dem Eingangslied Wir sind am Leben. Doch während das Lied ein Aufruf zur Reflektion über bisher Geleistetes sowie die Vergewisserung der eigenen Handlungsfähigkeit ist, schreibt der Aufruf "Lebe" aus "Flugzeug" heraus.

Der Text ist dabei ähnlich vereinfacht wie der Rhythmus. In der ersten Strophe wird klar gemacht: Du hast nichts mehr zu verlieren. Ganz offensichtlich ist die Situation schwierig, zuvor wird mit Regen- und Sturmmetaphern gespielt. Nach dieser Feststellung dreht sich der Rest des Liedes um Start und Flug. Da man ja nichts zu verlieren hat, muss man ins Licht. Egal wie die Rahmenbedingungen sind (Auch wenn Dein Flugzeug keine Flügel hat) darf das nicht verhindern, den eigenen Weg, die eigenen Ziele, das eigene Glück - kurz: das Licht - zu finden (flieg los - und es hebt trotzdem ab). "Flugzeug" ist damit in erster Linie ein Lied gegen die Resignation.

Erst in den letzten Zeilen wird das Lied um einen weiteren Aspekt erweitert. Dort heißt es: Es tut gut, wenn wir uns sehn / ab und zu mal fliegen gehn / denn mit Dir flieg ich so weit / bist Du da, bin ich bereit. Nachdem zuvor dazu aufgefordert wurde, sich aus dem Trübsal zu erheben und einen eigenen, eventuell glücklicheren Weg zu gehen, zeichnet sich am Ende das Ziel ab. Wenn man mit sich selbst im Reinen ist, sich also aufgerafft hat, zu fliegen, dann ist man auch für Mitmenschen wieder erträglich. Das muss nicht heißen, alle Probleme zu ignorieren. Nur gelgentlich muss man sich bei aller Trauer einfach mit Freunden amüsieren. Das tun die gerne und hilft gleichzeitig.

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Dienstag, 5. Juni 2012
Gehört: Ein klarer Fall (ARD-Radiotatort)
Die Bremer Polizei arbeitet seit neuestem mit einer privaten Sicherheitsfirma zusammen und hat das Projekt "Security DNA" entwickelt. Dabei handelt es sich um Alarmanlagen, die im Notfall DNA-Spritzer auf den Dieb schießen. Die Polizei benötigt nur noch eine Taschenlampe, die die DNA sichtbar macht. Der erste Verbrecher ist damit schnell gefangen: Der Polizei Assitent Claas Berding schnappt einen Spielbankeinbrecher. Kommissarin Evernich macht also beruhigt Urlaub, während sich die politische Leitung mit dem raschen Fahndungserfolg schmückt. Kaum ist die Kommissarin bei ihrem sterbenden Vater, wachsen bei Staatsanwalt Gröninger und bei ihrem Assistenten Berding Zweifel, ob der Verdächtige tatsächlich schuldig ist, bloß weil er die "Security DNA" an seiner Jacke hatte. Bevor sie ihn interviewen können, begeht der Verdächtige jedoch Selbstmord.

"Ein klarer Fall" ist natürlich nicht klar. Stattdessen verdeutlicht der Radiotatort aus Bremen auf eindrucksvolle Weise, dass Technik keineswegs Polizeiarbeit ersetzt. Zu Beginn wird ständig von dem Täter gesprochen. Erst mit den ersten Zweifeln gelangt langsam das Wort "Verdächtiger" in den Tatort. Das macht klar, "im Zweifel für den Angeklagten" gilt in Zeiten von "Security DNA" nicht mehr. Hat jemand die richtige DNA, ist er schuldig. In diesem Fall nützt das vor allem dem wahren Täter.

Doch der Tatort ist nicht allein ein Lehrstück auf die moderne Fahndungstechnik. In einer Kurzschlussreaktion lässt sich Berding in ein Gefängnis einschleusen und Staatsanwalt Gröninger muss feststellen, dass es schwierig ist, gegen eine politisch gewollte Ermittlungsmethode vorzugehen. Das ist spannend und unterhaltsam.

In einer Nebenhandlung erfährt Kommissarin Everning, warum ihr Vatr ihre Berufswahl immer ablehnte. Er wurde als überzeugter, linker Pfarrer einst in der Strafvollzugsseelsorge entführt. Er teilte die Forderungen der Entführer, musste aber mit ansehen, wie die Verbrecher erschossen wurden. Das nimmt er der Polizei bis heute übel und gibt sich gleichzeitig eine Mitschuld an der Tragödie. Denn er ließ die Polizei in dem Glauben, die Entführer besäßen tatsächlich Waffen. Damit wollte er deren Verhandlungsposition stärken, verursachte im Endeffekt aber eine übertrieben Polizeiaktion. Everning erfährt das nicht direkt von ihrem Vater, zu einer Aussprache kommt es nicht, da sie Gröninger und Berding dabei helfen muss, den "Security DNA"-Fall aufzulösen.

Die spannende und erschreckend realistisch wirkende Handlung um eine unsinnige und gefährliche neue Ermittlungsmethode wird somit durch ein persönliches Schicksal abgerundet. Leider ahnt man von Anfang an, dass es zu der Aussprache zwischen Vater und Tochter nicht mehr kommen wird. Das hätte man zwar besser lösen können, es ist aber der einzige Kritikpunkt an einem außerordentlich gelungenen Radiotatort.

Die Folge kann noch bis zum 19. Juni auf der Homepage der Serie heruntergeladen werden.

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Dienstag, 29. Mai 2012
Gehört: E.N.E.R.G.I.E. (von Rosenstolz)
Das Lied hat keine erkennbaren Strophen in einem wiederkehrenden Rhythmus, was den Refrain sehr in den Mittelpunkt stellt. Der sagt aber nicht viel mehr aus, als dass eine Person, an Energie wartet und glaubt. In der zweiten Hälfte des Liedes kommt ein Kinderchor dazu, der endgültig von dem Text des Liedes ablenkt.

Dabei ist die Grundidee gar nicht blöd und vielleicht die direkteste Anspielung auf Peter Plates Burnout-Erkrankung. Denn die englische Bezeichnung der Krankheit spielt ja darauf an, dass einfach keine Energie für den Alltag übrig ist.

Die ersten Zeilen zeigen, dass das Lied von einer Zweisamkeit ausgeht. Es gibt so viele schöne Worte / doch zu uns fiel mir keins ein / das war irgendwie bezeichnend / hab gedacht, das muss so sein. Diese scheint jedoch beendet zu sein, was bereits dadurch angedeutet wird, dass alle Aussagen im Präteritum formuliert sind. Die Gemeinsamkeit konnte nicht beschrieben werden, das wurde für normal gehalten und war wahrscheinlich einer der Gründe für das Scheitern.

Bereits die nächsten Zeilen sind dann eine reine Konzentration auf die eigenen Belange. Ich hab nichts mehr zu verschenken / Ich brauch den letzten Rest für mich. Das ist die Eröffnung, dass nun Zeit und Ruhe für die eigene Person gebraucht wird. Das fällt nicht leicht: Tut mir leid, ich kann nicht denken / nicht an Dich, nicht an mich. Die Situation ist also so verfahren oder so unbefriedigend, dass nicht einmal mehr die Zeit oder die Kraft bleibt, um über das eigene Wohlbefinden hinaus zu denken. Das eigene Leben muss erst geordnet werden, bevor an andere gedacht wird. Gleichzeitig deuten diese Zeilen auch an, dass die Situation so schwierig ist, dass an sich selbst ebenfalls nicht mehr gedacht werden kann.

Die Lösung wird im Refrain präsentiert. Das Zurückfahren der eigenen Aktivitäten, das konsequente Reduzieren aller Anstrengungen und das darauffolgende Warten auf Energie, also auf Kraft, sind die einzigen Optionen. Und ich schalt mich jetzt einfach aus / Und ich ziehe den Stecker raus / Und ich warte auf Energie / Glaube an Energie. Es bleibt also gar nichts anderes übrig, als innezuhalten und darauf zu hoffen, dass die Kraft wiederkehrt. Davon zeugt auch die zweite Refrainstrophe, die ähnlich ist, aber davon spricht, dass man sich stumm schalten muss und sich dabei ganz sicher nicht um drehen wird. Sie endet mit der Aussage: Ich bleibe stark und ich weiß auch wie / Ich glaube An Energie. Somit ist die einzige Möglichkeit während einer solchen Erschöpfungserscheinung stark zu bleiben, der starke Glaube daran, dass es besser werden kann.

Nach dem Refrain setzt der Kinderchor ein und buchstabiert das Wort Energie. Dabei fällt beim Aufbau des Liedes kaum auf, dass zu jedem Buchstaben ein Zusammenhang gesungen wird. Beim Hören klang es für mich eher wie eine Ansammlung zusammenhangsloser Worte. Doch wenn die Kinder zum ersten Mal E rufen heißt es für Ekstase und Exzentrik. Weiter geht es mit N – für ein Nein und nicht so schwer. So wird sich durch das ganze Wort Energie durchgearbeitet. Das ist vielleicht ein etwas alberner Einfall, aber durchaus sinnig. Denn neben den bereits zitierten Hinweisen, dass man auch mal über die Stränge schlagen muss, häufiger Nein sagen sollte, folgen noch die Ratschläge nicht alles an sich heranzulassen, sich auch mal Ruhe zu gönnen, gelassener durchs Leben zu gehen, auch mal Irrtümer und Idotien zu begehen und vor allem Euphorie erleben. Das ist ein schönes Konglomerat, das zusammen ist: ENERGIE und damit genau das, was fehlt, wenn man sich vom Leben erschöpft fühlt. Diese Ratschläge sind wohl nicht nur hilfreich, wenn man gerade an einem Burnout-Syndrom leidet, sondern allgemein nutzbar, wenn man von dem aktuellen Lebensalltag nicht zufrieden ist.

Abgerundet wird das Lied mit dem Hinweis: Bin zwar älter, doch nicht geläutert / Bin gefallen, doch nicht gescheitert. Dies ist ein kleines Plädoyer dafür, emotionale Schwächen auch zu zeigen und vor allem sich selbst gegenüber einzugestehen. Denn nur dadurch können Veränderungen erreicht werden. Das Lied endet mit der Entschuldigung aus der zweiten Strophe: Tut mir leid, ich will nicht denken / Nicht an Dich, nicht an mich. Gelegentlich nicht denken, sondern „nur“ leben – das ist ein wichtiger Bestandteil, der ENERGIE, die wir alle brauchen.

Leider ist die schöne Botschaft über den Umgang mit eigenen Ermüdungserscheinungen und den Auswegen daraus in ein Lied eingebettet, das den Text nicht leicht verständlich macht und sich zudem auch nicht angenehm zu hören ist.

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Dienstag, 22. Mai 2012
Gehört: Wir küssen Amok (von Rosenstolz)
Der siebte Titel auf der aktuellen Rosenstolz-Platte ist zunächst ein semantisches Wunder. Wie soll man denn Amok küssen? Bei Amok denkt man schließlich automatisch an Amokläufe, bei denen ein gestörter Mensche viele andere Menschen in den Tod reißt und sich in der Regel danach selbst tötet. Wikipedia stellt dazu fest, dass die ursprüngliche Bedeutung des Wortes "in blinder Wut angreifen und töten" ist. Dennoch seien damit lediglich psychische Extremsituationen mit mehr oder minder starker Unzurechnungsfähigkeit und starker Gewaltbereitschaft gemeint.

Musikalisch reiht sich "Wir küssen Amok" in den Stil seiner beiden Vorgänger ein: Es gibt nichts Überraschendes. Das Lied plätschert vor sich hin, lediglich der Einsatz des Basses in der zweiten Strophe stört die Gefälligkeit.

"Wir küssen Amok" könnte eine friedliche Alternative zum Amoklauf sein. Anstatt dass man in einer verzweifelten Situation gewalttätig Menschen tötet, rettet man sich in eine Beziehung. Das klingt schräg, wird vom Text so nicht gestützt. Stattdessen scheint mit dem Amok eher die Gefühle der betroffenen Personen gemeint zu sein. Sie sind so heftig, dass man sich in einer psychischen Extremsituation befindet und nicht mehr ganz zurechnungsfähig. Die Gewaltbereitschaft ist dadurch nicht direkt gegeben. Doch die Gefühle sind so heftig, so gewaltig, dass hinter dem ganzen ein ordentliches Maß an "Gewalt" steckt.

Die beiden Strophen bieten relativ wenig Inhalt. Deutlich wird nur, dass man aufeinander nicht verzichten kann und vor einer großen Herausforderung steckt. Anstatt davor die Augen zu verschließen, bleibt man wach und rückt näher zueinander. Trotz des Gegenwinds, den beide Partner verspüren, tut die Krise ziemlich gut, da mit der Angst auch der Mut wachse. Das ist ein hoffnungsvoller Ausblick in einem kritischen Moment.

Der Refrain liefert die Begründung, warum die Krise gemeinsam überstanden werden kann: Du machst mich an/ Und was ich kann / Ist nichts dafür / Nichts dagegen. Man ist so zueinander hingezogen, dass gar nichts anderes übrig bleibt, als zusammenzubleiben und das Problem zu lösen. Nach einer weiteren Betonung, dass es nun einmal nicht anderes geht, kommen die titelgebenden Zeilen: Wir küssen Amok / Im schönsten Regen. Das deutet tatsächlich darauf hin, dass mit dem "Wir küssen Amok" der heftige Ausbruch von Gefühlen gemeint ist, was sich sowohl in einem (negativen) Streit als auch in einem (positiven aber bewegenden) Problemlösungsprozess äußern kann. Beide Varianten laufen in einem Umfeld ab, das ein Scheitern, also eine Trennung, aufgrund noch immer stark vorhandener Anziehungskräfte ausschließt.

Nachdem das Lied also beschreibt, wie eine Krise in einer Beziehung, die nicht scheitern kann/darf, angegangen wird, endet es sehr versöhnlich. Denn nachdem zuvor betont wird, dass man sich gar nicht wehren könne, heißt es zum Schluss: Will mich nicht wehrn / Mich nicht beschwern / Wir küssen Amok / Im Schönsten Regen. Zuletzt setzt sich somit die Erkenntnis durch, dass man der emotionalen Extremsituation nicht nur nicht entgehen kann, sondern dass dies auch gar nicht ratsam wäre. Denn nach so einer extremen Phase wird das Verhältnis stärker sein als zuvor.

Diese schöne, nachdenkliche und ind er Realität nur schwer zu akzeptierende Botschaft, die man - wie so viele Lieder des Albums - auch unter dem Gesichtspunkt der Burn-Out-Erfahrungen des Sängers Peter Plates betrachten könnte, wird leider durch die Musik nicht unterstützt. Das Lied wirkt unaufgeregt, die extremen Gefühle die vom Text angesprochen werden, wirken nicht. So klafft eine enorme Lücke zwischen dem theoretischen Inhalt des Textes und dem, was das Lied transportiert. Das ist schade.

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Mittwoch, 16. Mai 2012
Gesehen: Herr Puntila und sein Knecht Matti (im Deutschen Theater)
Puntila säuft seit zwei Tagen, da unterbricht ihn sein Knecht Matti. Er hat keine Lust mehr zu warten. Puntila erkennt in ihm „einen Menschen“, möchte sich mit seinem Knecht anfreunden. Kurz darauf hält er es sogar für möglich, Matti seine einzige Tochter, die eigentlich einem verschuldeten Attaché versprochen ist, zur Frau zu geben. Die Stimmung ändert sich schlagartig, als Puntila wieder nüchtern wird.Dann ist er ein strenger Herr, der alles sehr genau nimmt. Doch dabei sehnt er sich immer wieder den Rausch herbei, in dem er zumindest die Möglichkeit sieht, den Menschen näher zu kommen.

Das Stück ist auf einer spartanischen Bühne inszeniert. Gegenstände gibt es kaum, stattdessen hohe Wände, die zu einer Drehbühne arrangiert sind. Dazu erklingt laute Musik, die die Boxen teilweise überdehnt. Die begrenzten Möglichkeiten der Charaktere und der Lärm des Rausches werden so gut dargestellt.

Zu Beginn sieht man einen Säufer, der viele Male hintereinander auf die Bühne kotzt. Sofort vermutet man, das ist Puntila. Doch es stellt sich heraus, dass der zweite, zu dem Zeitpunkt noch ruhigere Schauspieler der Puntila ist. Die andere Person taucht nicht wieder auf, ist einfach nur ein Säufer, der zum Schluss sogar zusammenbricht. Das ist ein geschickter Einfall. Denn das Stück suggeriert an vielen Stellen, dass der Alkohol zwar nichts an den gesellschaftlichen Verhältnissen ändern kann, bei einem Kapitalisten wie dem Puntila aber wenigstens das Gute im Menschen zutage fördern kann. Diese Inszenierung beginnt mit den gefährlichen, den zerstörerischen Auswirkungen des Alkohols.

Darüber hinaus ist das Stück an vielen Stellen natürlich lustig. Puntilas Stimmungsschwankungen sorgen für manche komische Szene. Er verlobt sich zum Beispiel im Schnelldurchgang mit drei Frauen an einem Nachmittag. Das wird freilich von zwei ernsten Komponenten flankiert. Erstens erfährt man von jeder Frau, was für ein karges und ausgebeutetes Leben sie führen. Zweitens löst Puntila die Verlobung sofort wieder auf, als er nüchtern ist. Die Frauen werden somit in dem Moment ihrer Hoffnung beraubt, als sie gerade zum ersten Mal seit langem so etwas wieder entwickelt haben.

Stark ist Mattis scheinbar teilnahmslose Darstellung. Wenn er mit Puntila redet, bemüht er sich immer, seine Meinung nach hinten zu stellen. Er akzeptiert das System, akzeptiert, dass auf dem Markt Arbeiter wie Waren gehandelt werden. Er drängt Puntila, wenn dieser besoffen ist, das Notwendige zu tun. Gelegentlich aber bricht er aus seiner Rolle heraus. Dann macht er einen Spaß und meist fällt das zusammen mit Puntilas nüchternen Phasen, was schief gehen muss. Am weitesten bricht er gegenüber Puntilas Tochter aus seiner zurückhaltenden Position, hier erlaubt er sich viel. Das geht jedoch nicht so weit, dass er sie tatsächlich heiraten könnte. Natürlich will er es, er weiß aber, dass die Standesunterschiede zu groß sind, die Lebensrealitäten zu weit voneinander entfernt, als dass hier Liebe oder gar eine Ehe gelingen könnten.

Das ist zum Schluss auch die Hauptaussage. Obwohl Matti ein zurückhaltender, häufig angepasster Knecht ist, der sich vieles gefallen lässt, reicht selbst ein halb guter Herr nicht, um die Verhältnisse erträglich werden zu lassen. Die Kluft zwischen Herr und Knecht kann auch im Rausch nicht überwunden werden. Die Verhältnisse sind im herrschenden System nicht zu überwinden, auch nicht durch Alkohol.

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Dienstag, 15. Mai 2012
Gehört: Marilyn (von Rosenstolz)
"Marilyn" folgt als sechstes Lied des Albums "Wir sind am Leben" auf das schwache "Mein Leben im Aschenbecher". Dennoch hinterlässt das Lied einen musikalisch beliebigen, textlich sperrigen und verwirrenden Eindruck. Dieses Lied muss man in erster Linie unter den Umständen betrachten, unter denen das Album entstanden ist. Bekanntlich musste Peter Plate die "Bist Du dabei?"-Tour zum Album "Die Suche geht weiter" aufgrund einer Burn-Out-Erkrankung abbrechen. Viele Lieder des aktuellen Albums thematisieren dies und drücken daher wie zum Beispiel "Überdosis Glück" - auf positive Weise - das Bedürfnis nach positiven Veränderungen im Leben aus. "Marilyn" nähert sich dem Thema von einer anderen Seite.

Der Text ist eine Ansprache an eine Person. Dabei muss es sich nicht um Marilyn Monroe handeln, sondern um eine Person, die sich so fühlt. Darauf deuten die Textstellen "Du bist Marilyn Monroe - ist für mich ok" und "Du nennst Dich Marilyn - sag mir wer ich dann bin" hin. Ganz eindeutig wird dann zum Schluss ("Marilyn - egal wie man das nennt"), dass sich das Lied metaphorisch an eine allgemeine Person richtet, die am Leben oder einem Ereignis verzweifelt.

Die Metaphorik wird direkt in den Abschnitte über das Rampenlicht und das Drehen eines Film aufgegriffen. Aus diesem Teil strahlt vor allem Verständnis. Der Text betont, dass es gar nicht darum geht, die Handlungen im Rampenlicht zu verstehen. Solange klar ist, dass dieses Verhalten getrennt von dem Auftreten zu Zweit zu sehen ist, scheint das für den Ansprechenden in Ordnung zu sein. Das ist aus dem Zusammenhang gerissen merkwürdig, aber wichtig für den allgemeinen Teil. Denn es macht klar, dass es bei der folgenden Beziehung oder der Hilfe nicht darum geht, die Taten der Person zu bewerten. Sie sind unerheblich, und müssen nicht einmal verstanden werden.

Auf den speziellen Teil folgen Ermutigungen. Geht man davon aus, dass es sich bei "Marilyn" tatsächlich um eine Metaphorik handelt, versichert man sich zunächst des gegenseitigen Antriebs. Und wir zünden einander an, und wir halten einander warm. Bei so einer gegenseitigen Wirkung sind Schwierigkeiten leicht zu meistern. Da die angesprochene Person mit dem oder ihrem Leben nicht zufrieden ist, bedarf es großen Zuspruchs. Deswegen wird ihre Klugheit, ihre Schönheit und zuletzt auch ihre Stärke betont. Dieser Teil soll Mut machen.

Von diesem Abschnitt an, wird der bisherige, ruhige Rhythmus verlassen. Unter lauteren Klängen nähert sich das Lied dem Ende. Nachdem versichert worden ist, wie stark die angesprochene, verzweifelte Person ist, kommt nun noch Bedingungslosigkeit in der Beziehung zwischen Ansprecher und Angesprochenem hinzu. "Ich schau in Dein Gesicht - Du schaust in mein Gesicht - mehr brauch ich nicht". Besonders gelungen ist die Betonung, dass man keineswegs ein "Teil" des jeweils anderen ist, aber dennoch zusammengehört. Denn "Liebe" sei nun einmal komplex.

In der Schlusstrophe wird endgültig aufgelöst, dass es sich bei dem Titel des Liedes um eine Metapher handelt (Marilyn - egal wie man das nennt). Um die Verzweiflung nach aufbauenden, lobenden Worten und der Versicherung der bedingungslosen Liebe (ob freundschaftlich oder nicht, wird nicht geklärt) endgültig zu vertreiben, wird noch einmal betont, wie stark die angesprochene Person unterstützt und gemocht wird. Gleichzeitig macht sich aber Verzweiflung darüber breit, dass das nicht anerkannt, ja gar nicht gesehen wird. Das ist dann (trotz vieler weiterer Aussagen) die Message, die zum Schluss hängen bleibt: In einer verzweifelten Situation gibt es fast immer jemanden, der sich genug um einen sorgt, dass er Hilfe (bedingungslos) anbieten würde. In den meisten Fällen wird das im Rausch der Verzweiflung nur nicht gesehen.

Diese schöne Aussage, verbunden mit dem Aufruf zu mehr Selbstbewusstsein ändert nichts daran, dass das Lied musikalisch beliebig wirkt. Hat man den Text aber erst einmal erfasst, ist das Lied ein Aufruf, in der gefühlten Verzweiflung den Kopf nie ganz hängen zu lassen, sondern sich nach den Dingen umzugucken, die einen aufbauen.

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