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Gelesen: Kill Your Friends (von John Niven)
Steven Stelfox ist A&R-Manager einer großen britischen Plattenfirma. Sein Leben, das sich eigentlich um Musik drehen sollte, besteht hauptsächlich aus Koks, Nutten und Sauforgien. Auf diese Art und Weise ist er relativ erfolgreich, zumindest wurde er in dem schnelllebigen Business noch nicht abgesägt. Allerdings basiert sein bisheriger Erfolg rein auf Glück. Das wird Steven bewusst, als sein Vorgesetzter gefeuert wird, sondern ein Kollege, der zwar genau so viel kokst, aber etwas solider arbeitet. Mit diesem Kollegen beginnt Steven den Titel des Buches in die Tat umzusetzen...

„Kill Your Friends“ ist der erste Roman des Autors, der unter anderem auch Coma geschrieben hat. War Coma schon an einigen Stellen geschmacklos und unter der Gürtellinie, ist „Kill Your Friends“ es die ganze Zeit. Man erlebt Steven Stelfox eigentlich in einer Dauerorgie, die ihm nicht unbedingt gut tut. Die Momente, in denen Stelfox mal zur Ruhe kommt oder gar einen klaren Gedanken treffen kann, sind in dem Roman extrem rar gesäht. Stattdessen wird gekokst und mit vulgärer, teils stark pornographischer Sprache um sich gehauen. Es wird ein Bild von einem völlig moarllosen Business gezeichnet.

Der Roman ist eigentlich nur dadurch ertragenswert, dass der Autor ebenfalls einmal A&R-Manager gewesen ist. Daher lässt sich schließen, dass die Schilderungen Stelfox zumindest eine gewisse Authenzität besitzen. Der Leser erlebt alles rein aus Stelfox-Perspektive, den Niven auch in der Ich-Form auftreten lässst. Das sorgt für wenig Distanz zur Hauptfigur.

Der Titel „Kill Your Friends“ ist völlig falsch gewählt. Stelfox hat nämlich gar keine Freunde. Sein ganzes Leben besteht lediglich aus der Arbeit, den Parties und Nutten. Insofern besteht seine Opferliste auch lediglich aus seinem neuen Vorgesetzten, dessen Nachfolger und seiner Sekretärin. Obwohl Stelfox permanent auf Drogen ist, gelingt es ihm, fast perfekte Morde abzuliefern. Zumindest sorgt jeder einzelne dafür, dass er weiter aufsteigt. Je verruchter Stelfox wird, je weniger er sich auf die Musik seiner Künstler konzentriert, desto erfolgreicher wird er.

„Kill Your Friends“ ist an einigen Stellen kaum zu ertragen. Zu wirr ist die Hauptfigur, zu krass die Gedanken derselben und zu durchwachsen die Gesamtsituation. Aber genau das ist es dann auch, was den Roman überhaupt interessant macht. Hier gibt es eine verdorbene, morallose und chauvinistische Hauptfigur, die proportional erfolgreicher wird je ruchloser sie sich verhält. Dazu kommt ein Geschäft, dass sich die Zusatz „Musik-“ gibt, ohne dass irgendjemand sich ernsthaft mit Musik auseinandersetzen würde. Stattdessen ist der ganze Roman von Zynikern durchzogen, die zwar hinter Stelfox Zynismus verblassen, aber bei etwas Distanz noch immer verdammt zynisch sind. Dennoch ist „Kill Your Friends“ sicherlich nicht der „ultimative Roman zum Untergang der Musikindustrie“. Schließlich basiert die Schilderung noch auf den letzten Jahren des 20. Jahrhundert, also auf einer Zeit, in der die Musikindustrie das Internet mit vielen illegalen Downloads noch nicht wirklich gefürchtet hat. Nur irre hohe Profite bei Erfolg ermöglichen ja schließlich Stelfox Lebensstil. Zwar klagt auch Stelfox darüber, dass die Profite immer geringer werden, aber er müsste erst einmal das Download-Zeitalter erleben. „Kill Your Friends“ zeichnet ein zynisches Bild der Musikindustrie, das vermutlich in vielen Punkten authentisch ist.

Einerseits ist „Kill Your Friends“ wirklich nicht mehr schön. Viele Gedanken Stelfoxs sind so unnötig, so sexistisch und häufig so pervers, dass man sie eigentlich nicht wirklich wissen will. Auch wenn man zu Beginn des Romans noch über einiges schmunzelt, wird es zum Ende hin doch anstrengend. Andererseits zeigt der Roman, wie ein durchkapitalisierter Kunstzweig ohne Moral auskommt. Dabei sind die vielen sprachlichen Tiefpunkte notwendig, um Authentizität zu erzeugen. In „Kill Your Friends“ dürften nicht die Morde ein Problem für zart besaitete Leser sein, sondern die Sprache. Wer sich davon nicht stören lässt, findet in dem Roman einen kurzweiligen Einblick in eine anstandslose, zynische Person, die die Erfahrung machen darf, dass in einigen Strukturen schlechte Taten durchaus belohnt werden können.

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