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Sonntag, 17. Juni 2012
Gelesen: Träumen Androiden von elektrischen Schafen (Blade Runner) (von Philip K. Dick)
Der dritte Weltkrieg hat die Erde beinahe unbewohnbar gemacht. Wer nicht auf den Mars fliehen kann, riskiert auf der Erde gesundheitliche Schäden durch atomare Strahlung. Da Tiere während des Krieges knapp geworden sind, ist es in der post-Kriegsreligion ein wichtiges Element, ein Tier zu halten. Der Blade Runner Rick Deckard kann sich derzeit aber nur ein elektrisches Tier leisten. Um ein echtes Tier zu erlangen, muss er Erfolg in seinem Job haben: Für jeden Androiden, die Menschen mittlerweile täuschend ähnlich sind, den er fasst, erhält er 1 000 Dollar.

Dieser spannende Roman fesselt den Leser von Anfang bis Ende. Dick gelingt es wieder einmal, den Leser bereits nach wenigen Sätzen in eine dystopische Zukunftswelt zu entführen. Wenig wird erklärt und doch hat man die Postkriegswelt sofort vor Augen.

Glorreich ist dabei der Widerspruch zwischen der merceristischen Menschheit und ihrem Verhalten gegenüber den Androiden. Nach dem Krieg sagte der Mercerismus, dass die Menschheit sich auf ihre Gefühle, ihre Empathie konzentrieren sollte. Mord ist die größte Sünde und wird streng geahndet. Mittlerweile können die Menschen ihre Gefühle mittels Maschinen kontrollieren, tun sich gegenseitig kein Leid mehr an und lieben ihre Tiere. Allein die Vorstellung, einem Tier könnte etwas zuleide geschehen, ist für die meisten Menschen unerträglich.

Androiden werden an Menschen vergeben, die sich entschließen, die Erde zu verlassen. Sie dienen auf dem Mars als Sklaven, obwohl sie von Menschen mittlerweile nicht mehr zu unterscheiden sind. Einige Androiden rebellieren dagegen, töten ihre Besitzer und fliehen zurück zur Erde. Dort werden sie von Blade Runnern wie Deckert gejagt. Androiden können nur durch ihren empathischen Mangel erkannt werden. Sie reagieren nicht so schnell auf Tierquälerei wie Menschen.

Hier bricht der beißende Sarkasmus Dicks durch. Allein die Tatsache, dass Androiden ein paar zehntel Sekunden weniger empathisch als Menschen sind, reicht für Menschen aus, um sie kalt und effizient zu töten. Jedes Tier wird besser behandelt als die menschengleichen Androiden, obwohl die Androiden ihre Wünsche und Hoffnungen sogar artikulieren können. Besonders paradox wirkt dies, angesichts der Tatsache, dass Menschen ihre Gefühle mithilfe von Maschinen steuern. Gleichzeitig haben sie kein Problem gefühlsbesitzende Maschinen zu zerstören.

Im Laufe des Romans beschreibt Dick anhand des „Sonderfalls“ Isodore wie die post-Kriegsgesellschaft mit Strahlenschäden umgeht. Außerdem dekonstruiert Dick das zunächst so offensichtlich erscheinende Szenario.

Ausgiebig wird mit der Frage, was eigentlich menschlich ist, gespielt. Als die Androiden-Testmethode nicht mehr über alle Zweifel erhaben ist, kann auf einmal jeder ein Android sein. Aber Dick streut auch Zweifel darüber, ob es auf dem Mars wirklich besser ist als auf der Erde, wer eigentlich Mercer ist und das führt zu einem spannenden, aufwühlenden und nachdenklichen Finale. Diese Eigenschaften passen auf das gesamte Buch, das spannend zu lesen ist und so unterhaltsam, spöttisch und doch anregend die Frage, was eigentlich das Menschsein ausmacht, thematisiert.

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