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Gelesen: Journalismus am Abgrund - Wie wir in Zukunft Öffentlichkeit finanzieren (von Marc Jan Eumann)

Zeitungen verlieren immer mehr Leser und werden immer unprofitabler. Mittlerweile sind auch große Zeitungen wie die "Frankfurter Rundschau" in Bedrängnis, die Angst vor dem großen Zeitungssterben grasiert. Gleichzeitig sinkt die Qualität der Blätter immer mehr, da die Verlage Journalisten entlassen und an allen Ecken sparen. Der Journalismus scheint sich in einem Teufelskreis zu befinden.

Der Vorsitzende der SPD-Medienkommission stellt daher mit seinem Buch "Journalismus am Abgrund" die Frage, wie Öffentlichkeit eigentlich in Zukunft finanziert werden soll. Diese Frage kann er nur unzureichend beantworten. Dennoch lohnt sich die Lektüre des Buches. Denn sie ist ein sehr gelungener Abriss über die Presselandschaft in den USA, Großbrittanien, Frankreich und Italien. Außerdem liefert das Buch einen guten Überblick über die Entwicklung von Nachrichtenagenturen und verweist auf eine Reihe kreativer Finanzierungswege von Journalismus. Die Frage, wie Öffentlichkeit in der Zukunft finanziert werden kann, beantwortet Eumann jedoch nicht konkret, da es dafür in seinen Augen keinen "Königsweg" gibt.

Eumann beginnt sein Buch mit einer Schilderung der derzeitigen Situation in Deutschland. Dabei liegt sein Schwerpunkt darauf, dass sich die Finanzierung geändert hat. Während früher zwei Drittel der Erlöse durch Anzeigen erwirtschaftet wurden, sind Verkaufs- und Anzeigeneinnahmen mittlerweile bei den meisten Zeitungen gleich hoch. Dieser Trend verstetigt sich, da das Internet immer mehr Anzeigen abwirbt. Das bringt einige Probleme mit sich und sorgt vor allem dafür, dass Presseprodukte immer teurer werden.

In einem umfangreichen Mittelteil geht Eumann, wie erwähnt, auf die Situation in den USA, Großbritannien, Frankreich und Italien ein und schildert die Entwicklung der Nachrichtenagenturen. Das ist interessant, denn über die deutschen Medien bekommt man relativ wenig Informationen über die Medienlandschaft in anderen Ländern. Die einzelnen Abschnitte sind gut strukturiert. Eumann skizziert knapp die wirtschaftliche Situation einiger Zeitschriften, erwähnt manchmal positive Einzelfälle oder Journalisten, die sich gegen den Trend stemmen konnten, und verweist auch immer wieder auf staatliche Subventionsmöglichkeiten. Dabei arbeitet er Subventionsmethoden von der Reduzierung der Mehrwertsteuer für Presseprodukte über die staatliche Förderung der Journalistenausbildung bis hin zu niedrigeren Zöllen für Zeitungspapier heraus.

Sehr interessant ist das abschließende Kapitel über Nachrichtenagenturen. Denn keine Zeitung kann es sich leisten, überall Korrespondenten zu haben. Daher gibt es Nachrichtenagenturen. Wie diese sich entwickelt haben und wie auch um den Einfluss auf Agenturen gekämpft wurde, beschreibt Eumann recht detailliert.

Im letzten Drittel geht Eumann dann der Eingangsfrage nach. Dabei hält er zu Beginn fest, dass unabhängige Medien für eine demokratische Gesellschaft unerlässlich sind, dass die Finanzierung dieser Medien jedoch schon immer Veränderungen unterworfen war und sich immer ein rettender Weg finden ließ. Allerdings gebe es derzeit keinen Königsweg für die Finanzierung von Journalismus. Nach dieser Eingangsfeststellung werden dann verschiedene Lösungen auf Probleme skizziert. Die Ideen reichen dann von der Konzentrierung auf Online-Möglichkeiten (bezahlte Online-Zeitung, Recherche über soziale Netzwerke) über die Fokussierung auf lokale Konzepte (Kommunalpolitik in Lokalzeitungen stärken, Kompetenzsteigerung bei Lokalzeitungen) bis hin zu Stiftungen und Crowdfunding-Modelle.

Klar ist jedoch immer, dass es in Zukunft weniger und vor allem teurere Zeitungen geben wird. Daher ist fraglich, ob die Modelle, die er skizziert tragfähig sind. Denn eine bezahlte Internet-Zeitung wird wohl in absehbarer Zukunft nicht die Recherche-Fähigkeit der derzeitigen großen Zeitungen an den Tag legen. Die Politikkompetenz von Lokalzeitungen kann sicherlich gesteigert werden. Doch auch sie leiden darunter, dass Anzeigenerlöse ausbleiben, werden teurer und verlieren Leser. Viele Lokalzeitungen kämpfen daher um ihr Überleben. Und Vielfalt gibt es auf diesem Makrt an vielen Stellen schon lange nicht mehr. Daher ist es auch fraglich, ob darin die Zukunft liegt. Stiftungen wiederum sind eine sehr gute Idee. Doch Stiftungen einzurichten ist schwierig und ebenfalls teuer. Eumann berichtet über einige interessante Stiftungen aus den USA und Großbritannien, die keine Zeitung herausgeben, sondern einfach nur Artikel prodzuieren. Diese sind gut recherchiert und werden an Zeitungen weitergegeben, teilweise sogar kostenlos. Das sind beeindruckende Beispiele, die jedoch ebenfalls nicht ausreichen, um eine Massenpresse zu sichern.

Eumanns Lösungsansätze für die Verlage sind etwas merkwürdig. Eine Reduzierung der Mehrwertsteuer und die steuerliche Absetzung von Abonnements machen als indirekte Subventionen noch Sinn. Auch die Verbesserung des Urheberrechts leuchtet noch ein. Warum aber das Pressekonzentrationsrecht unbedingt geändert werden sollte, um eine bessere Zusammenarbeit zu ermöglichen, ist unklar. Denn natürlich sind große Konzerne leistungsstärker. Andererseits wird Vielfalt nicht dadurch bewahrt, dass alle zusammenarbeiten. Da muss es andere Lösungen geben.

Das Buch endet mit dem konkreten Vorschlag Coopetition und einer 14-Punkte-Liste. Bei "Coopetition" geht es in erster Linie darum, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mithilft, den Journalismus zu finanzieren. Das könnte unter anderem dadurch gelingen, dass Zeitungen das Korrespondentennetz und andere Infrastrukturen mitnutzen. Aber auch Zeitungen sollen bei Infrastrukturen kooperieren, während sie gleichzeitig auf dem Markt konkurrieren. So werden Kosten gesenkt und durch Wettbewerb wird dennoch Meinungsvielfalt gesichert. Dieses Modell wirkt etwas utopisch, ist aber immerhin ein handfester Lösungsvorschlag.

Die 14-Punkte fassen das lehrreiche und interessant Buch zusammen. "Journalismus am Abgrund" ist somit eine sehr gelungene Darstellung der Pressesituation in einigen westlichen Ländern, bietet einen Aufschlussreichen Abriss über die Entwicklung der Nachrichtenagenturen und zeigt, dass es eine schwierige, aber lohnenswerte Aufgabe sein wird, weiterhin Öffentlichkeit in Deutschland zu sichern und zu finanzieren.

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