Irritiert durch die langfristige Bindung seiner Ex-Freundin und Produzentin MacKenzie McHale, beginnt Moderator Will McAvoy verschiedene Frauen zu daten. Er gerät jedoch ausschließlich an Klatsch-Kolumnistinnen, seine misslungenen Versuche, diese zum "richtigen Journalismus" zu bekehren, enden in peinlichen Szenen und Artikeln in Boulevard-Blättern. Recht schnell wird deutlich: Hier versucht jemand McAvoy zu schaden. Derweil versucht Don seine Freundin Maggie dazu zu bringen, seinen potentiellen Konkurrenten Jim mit ihrer Zimmernachbarin zu verkuppeln. Das Team findet erst wieder zu Hochleistung zusammen als die Kongressabgeordnete Giffords angeschossen wird. So kommt es zu einem Moment, in dem sogar der zwielichtige Don sich als wirklicher Nachrichtenmacher beweisen kann.
Die vierte Episode der Serie offenbart einmal mehr ihre Charakterschwäche. Es wirkt schlicht albern, wie verzweifelt McAvoy sich mit Frauen trifft. Jeden Tag eine andere und dennoch versucht er jede mit seinen Tiraden gegen Boulevard-Journalismus zu überzeugen. Dabei müsste auch er merken, dass er dabei keinerlei Erfolg hat. Seine Position ist zwar sympathisch, seine Herangehensweise wirkt in diesem Rahmen aber albern und leider unrealistisch. Außerdem weiß der Zuschauer längst davon, dass sich eine Medienkampagne gegen McAvoy anbahnt. Die Enthüllung am Schluss ist damit keine Enthüllung.
Auch die zweite Date-Handlung um Maggie und Jim weiß nicht ganz zu überzeugen. Es ist von Anfang an offensichtlich, dass Maggie sich zu Jim hingezogen fühlt, aber mit Don zusammen ist. Das will sie sich nicht eingestehen, Don aber merkt es. Also setzt er alles daran, dass Jim ebenfalls vergeben ist, um ihn als Konkurrenten auszuschalten. Das gelingt, was zu einem Streit zwischen Maggie und Jim führt. Irritierenderweise sorgt das für den ersten überzeugenden Moment zwischen den beiden Schauspielern, obwohl diese Handlung von Grund auf albern ist.
Ironischerweise ist es ausgerechnet der Klatsch und Tratsch, den McAvoy in dieser Folge anprangert, der den Großteil der Episode trägt. Und das ist schade. Viel interessanter wäre eine Handlung gewesen, in der die Bemühungen der Sendungsleitung, Wills Image zu beschmutzen, verhindert werden. Dafür hätte die Schmutzkampagne jedoch gestrafft werden müssen. Natürlich braucht die Serie Charaktere, die sie tragen und es ist richtig, diesen viel Zeit einzuräumen. Doch das sollte nicht immer nur mit Klatsch-Geschichten geschehen. Viel interessanter sind die Momente, in denen Jim oder Maggie eine interessante, bisher zu wenig beachtete Geschichte zutage fördern. Auch könnte Wills Einsamkeit besser behandelt werden, als durch permanente Dates.
Denn dieser Teil der Folge überzeugt wieder einmal. Das Team nimmt sich zu Beginn des neuen Jahres Zeit für Geschichten, die im vorherigen zu stark vernachlässigt worden. Da reale Ereignisse aufgegriffen werden, sind diese Handlungen nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich. Der Einblick in die Entstehung der Berichte, ist ebenfalls sehr spannend. Interessant ist zudem, dass die in der vorherigen Episode erwähnte Vertragspassage Wills, dass er nach seiner Kündigung drei Jahre nicht mehr im Fernsehen auftreten darf, erst durch seine Neuverhandlung zu Beginn der Serie entstanden ist. Dass er MacKenzie am Ende jeder Woche kündigen könnte, hat er mit dieser Regelung bezahlen müssen. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Jetzt sind die beiden nämlich auf Gedeih und Verderb auf einander angewiesen. Scheitert die Sendung, kann Will MacKenzie feuern. Doch sollte er selbst damit eingeholt werden, ist seine Fernsehkarriere ebenfalls beendet.
Außerdem ist der Schluss der Episode sehr gelungen. Denn alle großen Nachrichtensender melden den Tod der Kongressabgeordneten Gifford. MacKenzie und ihr Redaktionsteam weigern sich aber, das herauszugeben, solange keine eindeutigen Beweise vorliegen. Da greift die Sendungsleitung zum ersten Mal direkt in die Sendung ein und verlangt, den Tod der Abgeordneten zu melden. Die Verantwortlichen haben nämlich Angst, zu viele Zuschauer an andere Sender zu verlieren. Will McAvoy bleibt überraschenderweise - er hat schließlich gerade erst erfahren, dass die Leitung ihn am liebsten sofort kündigen würde und er danach nicht mehr im Fernsehen auftreten darf - hart und wird von Don, ebenfalls überaschenderweise, darin bestärkt. Der Lauf der Dinge gibt ihm Recht: Giffords lebt, News Night hat als einzige große Sendung das Richtige berichtet. Bei diesem gelungenen Schluss ist es aber wieder einmal hinderlich, dass der informierte Zuschauer bereits weiß, dass Will McAvoy und sein Team Recht haben. Wahre Fälle sind natürlich nett, aber sie reduzieren die Spannung doch ein wenig.
Wieder einmal können die Charakterszenen, diesemal die inszenierte Schmutzkampagne und die Kupplungsbemühungen Dons, nicht ganz überzeugen. Aber immerhin gibt es Verbesserungstendenzen, vor allem zwischen Jim und Maggie. Außerdem wird die Episode auch diesmal wieder von der klugen Nachrichten-Handlung und der Rahmenhandlung um die Zusammenhänge von Wills Vertrag gerettet. Das hebt die Episode auf ein insgesamt knapp gutes Niveau.
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Will McAvoy, Moderator der Nachrichtensendung News Night, entschuldigt sich zu Beginn der Episode in einem Editorial dafür, zu lange oberflächliche Nachrichten produziert zu haben. Im Nachgang geht er, als Republikaner, hart gegen den Populismus der "Tea Party"-Bewegung vor und versucht, für einen seriösen Konservatismus einzutreten. Das wird in der Firmenzentrale äußerst kritisch gesehen, der Verantwortliche für die Nachrichtensendung, Charlie Skinner, bekommt das deutlich zu spüren. Im Hintergrund menschelt es in der Redaktion: Wills viele Dates regen seine Ex-Freundin und Produzentin MacKenzie auf, obwohl sie selbst wieder in einer Beziehung ist. Der zweite Produzent Jim, hilft der Journalistin Maggie zwar in einer Notsituation, in der sie von ihrem Freund im Stich gelassen wird. Das reicht jedoch nicht aus, um sie davon zu überzeugen, sich endgültig von ihm zu trennen.
Der Beginn der Folge ist gut anzuhören und dramatisch inszeniert. Will spricht dabei viele Wahrheiten, die man über Fernsehnachrichten, nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika, beklagen könnte, aus. Dabei betont er immer, dass er ausschließlich sich selbst beschuldigt und andere Journalisten weder kritisieren noch zu einer ähnlichen Entschuldigung auffordern möchte. Das ist äußerst rücksichtsvoll und trägt damit leider nur noch mehr dazu bei, dass dieser Teil äußerst unrealistisch wirkt. Aus dieser Eingangsszene sprüht so viel Idealismus, dass es wieder einmal etwas zu viel ist. So sehr man sich so einen Ansatz auch wünschen mag, wahr kann er wohl nicht werden. Daher unterstützt Wills Entschuldigung den märchenhaften Eindruck, den man von den Vorgängen in der Serie erhält.
Glücklicherweise wird der Idealismus im Verlauf der Episode mit der Realität konfrontiert. Will und sein Team machen - und das ist das Highlight an dieser Folge - in den darauf folgenden Wochen und Monaten eine seriöse und kritische Nachrichtensendung, die sich aber nicht davor scheut, Ereignisse einzuordnen. Dies zu beobachten, macht Spaß. Die vielen Sendungen werden aber nicht nur im Zeitraffer dargestellt, sondern auch als Rückblende. Alle Ereignisse sind nämlich in eine Rahmenhandlung eingebettet. Darin befindet sich Charlie, der zuständige Verwantwortliche der Firmenleitung für die Sendung, in einem Meeting mit der Führungsspitze des Senders. Anwesend ist Leona Lasing, der CEO des Senders, und ihr Sohn, ihr designierter Nachfolger.
Obwohl Wills Sendung die Quoten scheinbar gehalten hat und mit Lob überschüttet wurde, sind die beiden außer sich. Denn mit ihrem "Wahrheitskurs" verärgert News Night vor allem "Tea Party"-Abgeordnete, die in den Interviews regelmäßig vorgeführt werden oder sich selbst vorführen (je nach Lesart). Das aber macht die Zusammenarbeit der Geschäftsfrau Leona Lasing mit dem Kongress schwierig. Es ist also nicht einmal der Profit der Nachrichtenabteilung, die die Sendungsleitung dazu bringt, Druck auf News Night auszuüben, sondern die eigene Lobbykraft.
Diese Entwicklung ist ausgezeichnet. Denn während Will McAvoy, als gemäßigter Republikaner, Probleme damit hat, dass seine Partei durch die "Tea Party"-Bewegung ins Unseriöse gezogen wird, denkt Leona Lasing, als angebliche Demokratin, ausschließlich an ihre Beziehungen und ihren Profit. Bis zu dieser Enthüllung am Ende der Folge hat es den Anschein, als würde "The Newsroom" (berechtigtes?) Republikaner-Bashing betreiben und sich damit nicht von den tendenziösen Nachrichtensendungen, die es kritisiert, unterscheiden. Mit Leona Lasing sind einige Graustufen in die Handlung gekommen.
Leider wird Charlie Skinner dabei immer mehr zum heimlichen Helden der Serie. Sein Charakter ähnelt mittlerweile dem Idealismus des Eingangsstatements. Er hat dafür gesorgt, dass Will mit MacKenzie jemanden als Produzentin hat, die eine wirkliche Nachrichtensendung produzieren möchte. Er unterstützt Will auf diesem Kurs und hier schützt er Will sogar vor der Geschäftsleitung. Dabei stellt sich die Frage, ob Charlie auch einmal an sich und seine Karriere denkt. Etwas Graustufen in seinem Charaktere wären auf jeden Fall hilfreich.
Sowieso sind die Charaktere auch in der dritten Folge noch die größte Schwäche der Serie. Ihre Interaktionen überzeugen nicht. Wills viele Dates und MacKenzies Reaktion darauf wirken albern. Der einzig gelungene Moment, als Will dies erkennt und sich entschuldigen möchte, wird durch eine alberne Racheaktion MacKenzies, sie bringt ihren Freund in den Produktionsraum, zunichte gemacht. Jims verzweifelte Eroberungsversuche gegenüber Maggie wirken ebenfalls entweder albern oder aber zu gekünstelt. Das muss sich ändern. Denn so schön die Handlung um eine Redaktion, die sich bemüht tatsächlich gute Nachrichten zu produzieren, auch ist, letztlich werden Fernsehserien von ihren Charakteren getragen. Bisher ist "The Newsroom" aufgrund der Idee dahinter, nicht wegen der Protgonisten sehenswert.
"The 112th Congress" fügt der Handlung viel Dramatik, in der Form einer ablehnenden Senderleitung, hinzu. Damit entstehen im politischen Spektrum kleine Grautöne, was der Serie ebenfalls gut tut. Während die Charaktere dabei bisher nicht zu überzeugen wissen, sind die Ausschnitte aus Wills Nachrichtensendung genau so spannend und unterhaltsam, wie Charlies Meeting im Hintergrund. Das alle sorgt für gute Unterhaltung.
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Die Sondersendung zu der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko war ein großer Erfolg. Alle erwarten, dass die nächste Sendung an dieses Ereignis anknüpfen wird. Die neue Produzentin MacKenzie McHale lehnt dies ab, für sie gibt es keinen Neuigkeitswert. Der Skandal ist bekannt, es bliebe nur noch Populismus. Also konzentriert sie sich auf das gerade verabschiedete Anti-Immigranten-Gesetz aus Arizona. Während sie immer mehr merkt, dass Moderator Will McAvoy, mit dem sie einst zusammen war und den sie betrogen hat, von der Crew als "Arschloch" und "Fremdgeher" gesehen wird, versucht sie, diesen Eindruck zu korrigieren. Damit macht sie alles nur noch schlimmer. Als zu allem Überfluss die republikanische Regierung Arizonas ihre Teilnahme an der Sendung aufgrund eines Anfängerfehlers einer Mitarbeiterin absagt, gerät die abendliche Sendung zu einem Desaster.
Bereits die zweite Sendung der Serie zeigt, was bei dem anspruchsvollen Konzept MacKenzies schief gehen kann. Ruhiger, argumentativer und ausgewogener Journalismus klingt gut. Doch da Journalisten nur berichten, benötigen sie dafür auch die richtigen Quellen. In diesem Fall bleiben dem Team für die Pro-Seite des Immigrantengesetzes nur extreme Bürger der Vereinigten Statten. So muss Will ein Interview mit einer "Miss Arizona"-Kandidatin, einem rassistischen Pseudo-Wissenschaftler und einem Waffennarr führen. Dies gerät natürlich zum Desaster.
Es ist gut, dass diese Gefahr bereits in der zweiten Folge thematisiert wird. Leider tritt diese Haupthandlung stark in den Hintergrund. Wichtiger scheint es den Autoren zu sein, die alte Beziehung zwischen Will und MacKenzie zu erklären. Dabei verhält sich vor allem MacKenzie an vielen Stellen sehr unsouverän. Das ist gewollt. Auch auf ihrem fachlichen Gebiet wird sie häufig naiv inszeniert. Das wird regelmäßig dadurch ausgeglichen, dass sie, wenn es denn darauf ankommt, stark und richtig auftritt. In dieser Episode wirken sie und auch ihre Konzepte aber häufig lächerlich.
So schreibt sie ein pikante Mail, die an Will gehen soll, aus Versehen an die komplette Redaktion. Das wird als zweiter Höhepunkt neben der Sendung in der Episode inszeniert. Dabei ist gerade dieser Moment recht unnötig.
Spannender ist da die Art und Weise wie Redaktionschef Jim Harper mit dem Fehler von Maggie Jordan umgeht. Leider ist der Fehler ähnlich schlecht konstruiert wie die Aufklärung der Beziehung zwischen Will und MacKenzie. Auch hier geht es wieder um eine ehemalige Beziehungsgeschichte. Immerhin wird daraus aber ein guter Einblick in Maggies Charakter hergestellt. Das gelingt bei dem Konflikt zwischen Moderator und Produzentin aber nicht. Jim verhält sich in dieser Situation weitestgehend souverän und überlässt es Maggie, ihren Fehler zu analysieren und damit zu leben. Das wirkt überzeugend.
Am gelungensten ist die Nebenhandlung um Wills Quotengläubigkeit. Er gibt offen zu, dass es für ihn äußerst wichtig ist, von den Menschen gemocht zu werden. Jemand aus der Geschäftsleitung spielt ihm daher regelmäßig die Quoten zu und berät ihn, wie er die Show populärer ausrichten könnte. MacKenzie hat er versprochen, diese Einstellung zu ändern. Doch angesichts des katastrophalen Arizona-Verlaufs entschließt er sich dazu, Sarah Palin in die Show zu holen. MacKenzie hält das für Populismus und stellt daher am Ende der Folge die Vertrauensfrage. Es geht darum, ob Will weiterhin nach Quoten oder nach einer guten Sendung giert. Er entscheidet sich für letzteres, was klar war, da die Serie sonst beendet wäre.
"News Night 2.0" stellt eindrucksvoll die Schwierigkeiten einer guten Nachrichtensendung dar, denn dazu braucht es auch gute Gäste, die nicht immer leicht zu finden sind. Leider wird der Schwerpunkt sehr auf die persönlichen Beziehungen gesetzt. Das hat bei "The West Wing", der ersten Serie von Aaron Sorkin äußerst gut funktioniert. Hier springt aber vor allem bei den beiden Hauptdarstellern der Funke nicht über, MacKenzie wirkt dabei zu intuitiv und zu emotional. Hier besteht ein deutlicher Verbesserungsbedarf. Die gelungeneren Wortspiele zwischen Jim und Maggie lassen jedoch darauf hoffen, dass sich so etwas in den kommenden Episoden auch noch bei den Hauptcharakteren einspielen wird.
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In dieser Dreigroschenoper-Inszenierung sind alle Schauspieler weiß überschminkt, sie wirken dadurch etwas puppenhaft, auf jeden Fall aber verfremdet. Denn Gefühlsregungen sind entweder gar nicht oder aber in übertriebenem Ausmaß zu erkennen. Damit nimmt natürlich die Bedeutung der Körperbewegungen der Schauspieler zu. Es ist angesichts der Mimik nicht verwunderlich, dass auch die Bewegungen ins übertriebene gesteigert sind. Vom hoppelnden Verbrecher bis zur tippelnden Polly sorgen die Bewegungen meist für ein Schmunzeln. Mit der präsentierten Entfremdung dürfte die Inszenierung aber einige Elemente von Brechts - später entwickelter - Theorie des epischen Theaters umsetzen.
Trotz der Verfremdung sind alle Schauspieler "normal" gekleidet. Wie es sich für das victorianische London wohl gehörte treten die Herren im Anzug auf, die Frauen entweder im Hosenanzug oder aber in Kleidern. Farbe gibt es dabei keine. Nur Maceath fällt aus diesem Schema. Seine Kleidung, zumindest aber seine Unterwäsche, ähnelt eher Damenbekleidung. Er macht einen äußerst androgynen Eindruck.
Die Hauptsache des Stückes, die kritischen, lustigen und bewegenden Lieder, wirken exellent. Das Orchester setzt die Lieder gekonnt um und die Schauspieler singen weitestgehend sehr gut, schaffen häufig auch die hohen Tonlagen. Dabei werden für die Zwischenszenen beim Bühnenumbau immer wieder die Grundthemen einzelner Stücke genommen und ohne Gesang ausgebaut. So kommt der Zuschauer nicht nur während des "Kanonensong" in den Genuss des Liedthemas sondern auch in einer Zwischenszene, in der der Polizeipräsident Brown über die Bühne wandert.
Die Finale der Akte sind sehr gute herausgearbeitet. Sowohl die Ballade über die Unsicherheit menschlicher Verhältnisse als auch die Ballade über die Frage, wovon lebt der Mensch wirken eindrucksvoll und bleiben im Gedächtnis hängen. Das weniger prägnante, weil unrealistische Endfinale wirkt vor allem wegen des dann zur Schau gestellten Prunkes.
Die Bühne ist nie leer. Auch wurde von einem einheitlichen Aufbau abgesehen. Stattdessen wird eine Mischung aus Symbolik und Requisite angewandt. Der Galgen im Finale ist als solcher deutlich zu erkennen. Auch die Arrestzelle hat dicke Gefängnisstäbe. Hier beginnt aber bereits der Übergang zur Symbolik. Denn dieses Stabmotiv wird in kleinerem Maßstab an anderer Stelle verwendet. Bei dem Bettlerkönig Peachum werden kleine Gitterelemente, die mal leuchten und mal nicht angewandt. Ein deutliches Symbol dafür, dass die Peachums nicht in der Lage sind, über ihren Pragmatismus hinaus zu denken.
Die Inszenierung kann den Zuschauer mit den grandiosen Liedern begeistern. Auch sonst ist ist sie inhaltlich nahe am Original. Zusätzlich sorgen die Entfremdungseffekte mal für Nachdenken über die gewählten Gesten mal aber auch einfach für Lacher. "Die Dreigroschenoper" am Theater am Schiffbauerdamm sorgt für einen unterhaltsamen Abend, bei dem aber auch die von Brecht gewollte Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen nicht zu kurz kommt.
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Will McAcoy ist der Leiter und Sprecher der Nachrichtensendung News Night. Seine Sendung erreicht gute Quoten, vor allem weil Will sich mit seiner Meinung zurückhält und es allen recht macht. Bei einer Podiumsdiskussion mit Studenten sieht er eine Ex-Freundin, die ihm Botschaften hochhält. In der für ihn ermüdenden Diskussion, in der neben ihm eine Demokratin und ein Republikaner teilnehmen und heftig streiten, bringt ihn das zu einem kleinen Wutausbruch. Auf die Frage einer Studentin, warum Amerika das beste Land der Welt ist (was die anderen Diskussionsteilnehmer mit Phrasen beantworten), erklärt er ihr, warum Amerika das nicht ist.
Das bringt für seine Sendung natürlich einige Probleme mit sich. Es stellt sich zudem heraus, dass Will ein schlechter Arbeitgeber ist und seine Mitarbeiter stiefmütterlich behandelt. Ein Großteil wechselt daher bei der nächstbesten Möglichkeit zu anderen Sitzungen.
Der einstündige Pilotfilm kommt in Fahrt als MacKenzie McHale - wie sich später herausstellt, die Ex-Freundin aus dem Publikum - als neue Redaktionsleiterin von der Firmenleitung eingestellt wird. Will ist darüber nicht begeistert, versucht das sogar zu verhindern. MacKenzie erhält aber die Chance, ihren Plan einer wirklichen, seriösen und doch akzentsetzenden Nachrichtensendung in die Tat umzusetzen. Sie erhält die Chance als einer ihrer Mitarbeiter, gegen den Widerstand von Wills bisherigen Redakteuren, erkennt, dass die DeepWater Katastrophe im Golf von Mexiko tatsächlich eine Katastrophe ist und das Material für eine einstündige Nachrichtensendung bietet.
Binnen kürzester Zeit gelingt dem Team eine wegweisende Sendung, die die Debatte über die Katastrophe überhaupt erst startet.
Mitten in die aufgeheizte Stimmung in Amerika platzt die Serie "THe Newsroom" von "West Wing"-Erfinder Aaron Sorkin. Der Hauptcharakter, Will McAcoy, hat eine starke Abneigung gegen das ideologische Phrasendreschen der Anhänger der beiden großen Parteien Amerikas. An diesen Diskussionen kann er sich seines Rufes wegen nicht beteiligen und er will es auch nicht da sie ihm, wie die Startsequenz zeigt, schlicht zu verblendet sind.
Er ist jedoch kein reiner Sympathieträger. Seine Angestellten und Mitarbeiter beachtet er kaum. Zu Beginn fällt ihm nicht einmal auf, dass seine Redaktion leer ist, weil beinahe sein komplettes Team zu einer anderen Nachrichtensendung der Firma gewechselt ist. Außerdem ist er, zumindest in dieser Episode, kein Idealist.
Als MacKenzy ihm nämlich ihre Pläne für eine seriöse Nachrichtensendung, wie es sie in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr erfolgreich gibt, präsentiert, verweist er sie auf viele Studien, die zeigen, dass so ein Konzept gar nicht erfolgreich sein kann. Entweder seichte, anbiedernde Unterhaltung ist gefragt, oder aber eine stark tendenziöse Berichterstattung. Da er letzteres nicht leisten wolle, müsse er sich auf ersteres konzentrieren.
Trotz dieser Pessimismus und der unsympathischen Ader beweist er den richtigen "Riecher" als er MacKenzies Produzenten anhört und seinen Vorschlag die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko als Sonderthema zu nehmen.Die Hauptperson ist also mit einer unsympathischen Seite ausgestattet, gleichzeitig aber talentiert und von der polarisierten Stimmung sichtlich genervt. Gleichzeitig ist Will noch immer sehr beliebt und aufgrund seiner bisherigen Arbeitsweise wird er als sehr seriös empfunden. Mit einer seriösen, aber kontroversen Sendung könnte er theoretisch also Erfolg haben.
Der Ansatz der Sendung ist dabei zu loben. In Zeiten, in denen - nicht nur in Amerika - seriöse Berichterstattung schlicht nicht mehr erfolgreich ist, sondern tendenziöse, eindeutig ideologisch gefärbte Nachrichten am ehesten noch Erfolg haben, ist ein Plädoyer für "guten" Journalismus in Form einer Serie ein mutiges Unterfangen. Denn warum sollte das Plädoyer für ein zur Zeit unerfolgreiches Nachrichtenkonzept erfolgreicher sein als das ungefragte Original?
Mutig sind auch die langen Dialoge über ein recht begrenztes Thema. Nach dem durchaus unterhaltsamen Einstieg, dreht sich die erste halbe Stunde alles um Wills Sendung und die Übernahme durch MacKenzie als Executive Producer. Die zweite Hälfte der Folge ist dann das Bestreiten der Sendung selbst. Das ist wenig Handlung mit vielen Dialogen. Diese Dialoge sind aber bei weitem nicht so spritzig wie sie noch in Sorkins erster Serie "The West Wing" waren.Das ist gefährlich, denn die sprachliche Gewandheit, die vielen Witze und der Sarkasmus, der oft nah am Zynismus war, machte "The West Wing" trotz des Anspruchs und der Dialoglastigkeit zu einer erfolgreichen Serie. Nur mit Anspruch und Dialoglastigkeit ist schwer vorzustellen, dass die Serie ein breites Publikum erreicht.
Dieses Ziel wird auch dadurch erschwert, dass wenig Spannung in der Episode aufkommt. Die große Frage ist für den Zuschauer nämlich, ob die Sendung gelingt. Dabei könnte die Kernfrage lauten, ob das Thema richtig gesetzt ist. Da ein reales Ereignis, das zwei Jahre zurückliegt, gewählt wurde, weiß der Zuschauer, dass das Team auf die richtige Seite gesetzt hat. Ein fiktives Ereignis hätte zwar erst einmal genauer beschrieben werden müssen, hätte aber auch die Spannung vergrößert.
Daher bleibt abzuwarten, ob sich auch die folgenden Episoden an realen Ereignissen orientieren werden. Die Serie kann von dieser Folge zur nächsten schwerlich einen Zeitsprung von zwei Jahren machen. Es ist somit zu erwarten, dass die Sendung zumindest erst einmal im Jahr 2010 weitermachen wird. Weitere reale Ereignisse aus der Zeit sind also nicht ausgeschlossen.
"We Just Decided To" ist ein Pilotfilm, der gut in das Setting der Serie einführt. Es geht um eine Nachrichtensendung, mit einem erfolgreichen aber desillusionierten Moderator. Sie wird von einer Frau übernommen, die sehr idealistisch ist, als Kriegsreporterin viel erlebt hat und das Profil der Sendung radikal verändern will. Die Beziehung zwischen Moderator und Executive Producer bietet noch einiges Potential. Auch die bereits eingeführten Redakteure deuten interessante Charakterstränge an.
Die Sendung zeigt dabei in der Grundhandlung von großer Sehnsucht nach dem "guten", dem "seriösen" und doch "kontroversen" Journalismus. Lebte "The West Wing" während der Bush-Jahre vor wie amerikanische Politik auch aussehen könnte, bietet "The Newsroom" die Chance eine fiktiven Alternative zu dem immer populistischeren und gleichzeitig doch unerfolgreicheren US-Journalismus zu zeigen. Der dabei gelegentlich etwas kitschig wirkende Idealismus, der dabei zutage tritt, ist zumindest in der ersten Episode zu ertragen.
Insofern ist es "The Newsroom" der Erfolg sehr zu wünschen. Es könnte, gerade jetzt im Wahlkampf, nicht schaden, wenn in den Staaten ein erfolgreiches Serienplädoyer für weltanschaulich neutralen aber doch kontroversen Journalismus läuft. Und es würde vielen anderen Ländern, unter anderem auch Deutschland, nicht schaden, wenn dieses Plädoyer auch dort erfolgreich wäre. Die erste Folge mag zwar nicht spannend sein, aber sie unterhält durch kluge, lange, aber nicht langweilige, Dialoge und die Einblicke in die Herstellung einer Nachrichtensendung. Nach dem Sehen freut man sich nicht nur auf die nächste Episode, sondern verspürt Sehnsucht und das Bedürfnis nach guten Journalismus.
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Das Stück beginnt mit der Rückkehr Hugos zu der Partei. In diesem ersten Auftritt wird der Fortgang der Geschichte bereits zusammengefasst. Dem Zuschauer ist somit klar, was geschehen wird. Lediglich das Mordmotiv bleibt etwas im Unklaren. Hugo sagt im Nachhinein, er hoffe, er habe den Mord aus politischen Gründen begangen. Wirklichen Aufschluss gibt auch der Hauptteil, die Rückblende nicht.
Die Inszenierung wartet mit einem beeindruckenden Bühnenbild auf. Auf der Bühne befinden sich mindestens vier Kreuze, die starke Steinwände darstellen. Sie sind all um sich selbst drehbar und gleichzeitg kann die ganze Anlage gedreht werden. Das sorgt für viel Bewegung im Szenenübergang. Wie bereits bei der Puntila-Inzenierung wird während der Übergänge viel mit Musik gearbeitet. Teilweise wird sie auch während der Szenen zur Dramatikunterstützung eingesetzt. Auch ander mediale Effekte, wie zum Beispiel Videokameras, die die Schauspieler auf die Wände projizieren, werden häufig eingesetzt. Das sorgt für einen stimmungsvollen Gesamteindruck. Außerdem entstehen dabei viele Highlights, wie zum Beispiel einen Übergang, in dem viele "-ismen" (von Dogmatismus über Terrorismus bis zum "Finale" dem Humanismus) unter lauter Musik auf der Bühne erscheinen.
Mit Hugo erlebt der Zuschauer jemanden, der sich unbedingt für seine Ideologie nützlich machen möchte. Zumindest redet er es sich ein, denn gleichzeitig verklärt er den Tod, sucht ihn gelegentlich sogar. Dazu kommt aber eine unpolitische Komponente, die Beziehung zu seiner Frau Jessica. Das Paar kann nicht offen miteinander reden, ein Großteil der Beziehung besteht aus inszenierten Streiten. Gleichzeitig nehmen sich die beiden in den seltensten Fällen gegenseitig Ernst. Das Ehepaar sorgt so für einige lustige Szenen, insgesamt wirkt die Beziehung aber äußerst angestrengt. Die ständigen Rituale und Inszenierungen bilden häufig die Überleitung zu Gedanken darüber, was real sei und was nur gespielt.
Hoederer ist das Musterbeispiel für einen pragmatischen Machtpolitiker. Er analysiert die Situation und versucht anhand seiner Ergebnisse das Beste für sich, seine Partei und die Arbeiter (und zwar in der Reihenfolge) herauszuholen. Das widerspricht natürlich Hugos Idealismus. Nichtsdestotrotz scheint Hugo Hoederer zu bewundern, zumindest aber ist er nicht in der Lage diesen einfach umzurbingen. Nach Hoederers Konferenz mit den Liberalen und Faschisten, die Hugo durch sein Attentat eigentlich verhindern sollte, kommt es zu einem wilden Wortgefecht zwischen den Beiden. Hoederer gelingt es dabei nicht, Hugo von seiner Sicht zu überzeugen. Dabei stellt sich aber heraus, dass Hugo wenig Mitleid für die hunderttausenden Bürger hat, die im Krieg, in der Revolution und in der Nachfolgenden Errichtung einer Diktatur stebern würden. Wenn es das zum Erreichen der Ideale benötigt, müsse es eben so sein. Auf diese Weise wirkt der Pragmatiker Hoederer weniger berechnend und kalt, da er im Gegensatz zu dem flammenden Intellektuellen Hugo offensichtlich das Leben zu schätzen weiß.
Der Umschwung Hugos kommt in dieser Inszenierung äußerst plötzlich. Hoederer bietet Hugo die Chance, ihn zu töten, nachdem er herausgefunden hat, dass dies Hugos Auftrag ist. Hugo nutzt sie nicht. Als Hoederer von Jessica, die sich in dem Unterschlupf ganz offensichtlich langweilt, verführt wird, platzt Hugo ins Zimmer und massakriert Hoederer. Diese Wendung wirkt aufgrund ihrer Plötzlichkeit etwas unbefriedigend.
Ebenfalls unbefriedigend wirkt das Handeln Jessicas. Sie entstammt offensichtlich bürgerlichen Schichten und nimmt weder Hugo noch die Partei ernst. Damit sorgt sie für viele lustige Momente in dem Stück. Warum sie Hugo gelegentlich unterstützt, letztendlich aber Hoegerer verführt, wird nicht deutlich. Ihr Handeln ist willkürlich und launenhaft. Die Aussage dahinter bleibt schleierhaft.
Interessanter ist da eher die Rolle der Parteigenossin Olga. Sie unterstützte Hugo dabei, einen Auftrag zu erhalten. Währenddessen warnt sie ihn davor, dass die Partei unruhig wird, da er das Attentat nicht sofort verübt. Sie hängt offensichtlich an Hugo und versucht immer wieder ihn zu schützen. Aber sie vertritt treu die Parteilinie. Anders als Hugo, der in der Partei eine idealistische Organisation ohne Lüge sieht, folgt sie dem was vorgegeben ist. Damit ist sie unfähig, Hugo am Ende des Stückes eine Perspektive zu geben. Sie ist in dem Stück aus Hugos Sicht die einzige Person, die ihm "vertraut". Da sie zum Schluss in seinen Augen ebenfalls lügt und täuscht, verliert er alle Hoffnung und bringt sich um.
Die Inszenierung des Stückes ist sowohl bewegend als auch an einigen Momenten unterhaltsam-komisch. Das Stück bringt den perspektivlosen Bürger auf die Bühne, der sich dank seines Weltschmerzes einer revolutionären Ideologie bemächtigt und sie scheinbar idealistisch nach außen trägt. In Wirklichkeit verachtet er aber nur sich und sein Leben, die Perspektive, die er in der Partei zu finden meint, ist nur Trug. Seine Radikalität macht ihn zum Werkzeug, einen Pragmatiker umzubringen. Wirklich gelingen kann das aber erst, als dieser sich des einzigen bemächtigt, was er aus seinem alten Leben lieb gewonnen hat. Im Gefängnis beruhigt er sich mit seinen Idealen, nur um bei seiner Rückkehr endgültig seine Illusionen über die Partei zu verlieren. Das Stück ist somit ein Appell daran, bei allen Zielen, die man hat, nicht ideologisch zu werden und übermäßig idealisierte Institutionen regelmäßig kritisch zu hinterfragen.
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Es gibt eine lose Rahmenhandlung, die sich um die Beziehung der beiden Schauspieler zueinander dreht. Hier will der Funke nicht richtig rüberspringen. Ein Eingangsstück, das von Band abgespielt wird, ist gut gesprochen. Und es ist eine gute Idee, offen zu legen, wie sich die Antoni und Karge kennengelernt haben. Aber - und das gilt auch für die anderen Zwischentexte - es wirkt nicht so spontant wie es wirken sollte. Stattdessen merkt man, dass alles geplant ist. Das ist nicht verwunderlich, aber das Whiskey trinken wirkt genau so gewollt wie das Protestieren darüber, ein bestimmtes Lied singen zu müssen (was im Programm bereits angekündigt ist). In solchen Fällen hätte man das Beiwerk auch einfach weglassen können.
Die Auswahl an Liedern ist meistens unterhaltsam. Erst gegen Ende wirken sieben, rasch heruntergeratterte Geschichten von Herrn Keuner etwas lieblos. Vorher aber arbeiten Antoni und Karge einen kritischen, politischen und dabei aber doch unterhaltsameren, revueartigen Brecht heraus. Das sorgt für unterhaltsame 75 Minuten.
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Das Berliner Ensemble inszeniert Wedekinds bekanntestes Stück sehr nah an der Vorlage. Es gibt keine gegenständliche Kulisse. Die einzige Ausnahme bildet der letzte Auftritt, der Friedhof wird mit Grabsteinen dargestellt. Die Bühne ist durch eine Wand getrennt. Die Wand ist in mehre Abschnitte geteilt, die sich um ihre eigene Achse drehen lassen. Dadurch kann die Bühne regelmäßig durchlässig gemacht werden und die einzelnen Wandteile in das Stück eingebunden werden. So sind sie mal Tür, mal Baum und eignen sich zudem in ihrer Drehgeschwindigkeit als Ausdruck der Gefühle der Protagonisten. Bis auf Wendla sind alle Schauspieler in schwarz oder weiß gekleidet. Farbe gibt es kaum.
Die Inszenierung verkürzt nicht die witzigen Elemente des Stückes. Trotz der zwei Tragödien des Stückes gibt es genügend Stellen zum Schmunzeln, sodass das die Aufführung trotz des ernsten Themas sehr kurzweilig ist. Vor allem die Ironie der Professorenrunde ist sehr gelulngen auf die Bühne gebracht worden. Aber auch in den anderen Auftritten wurden die humoristischen Ansätze beibehalten.
Dabei wird jedoch auch deutlich, dass allen Jugendlichen eine erfahrene Bezugsperson fehlt. Sie alle strotzen vor Experimentierlust. Sie wissen aber nicht, was sie wie tun können. Vieles, was mit ihnen geschieht, beschämt sie. Sie versuchen, sich gegenseitig anzuvertrauen. Aufgrund der dabei - gerade bei Jungen - unvermeintlichen Prahlerei und der gleichzeitigen Schamhaftigkeit führt das aber nicht zu der notwendigen Ernsthaftigkeit und Offenheit. Das merkt man auf der Bühne deutlich.
An einigen Stellen hätte das Stück allerdings etwas gestrafft werden können. Obwohl die Darstellerin von Melchiors MUtter sehr überzeugend ist, hätte die Rezitation ihres Briefes an Moritz Stiefel nicht sein müssen. Auch die Szene, in der der Gymnasiast Hans seine Wichsvorlage in der Toilette entsorgt, drückt aufgrund ihrer Länge zwar die gewollte Hemmnis gegen die Zerstörung des Bildes aus, ist aber nun einmal vor allem Lang. Das sonst hohe Tempo des Stückes wird in diesen Momenten unnötig gedrosselt.
Insgesamt schafft die Inszenierung den Spagat zwischen Unterhaltung und Ernsthaftigkeit sehr gut. Insbesonders der gewollt unglaubwürdige Schluss durch das plötzliche Auftauchen einer verständnisvollen, erwachsenen und gleichzeitig aufklärenden Bezugsperson ist trotz ihrer Kitschigkeit hier sehr gelungen.
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Diese Reduzierung tut dem Stück richtig gut, denn sie lenkt den Fokus von den bürgerlichen Tugenden. Mit Sir William Sampson ist der gutmütigste und tugendhafteste Charakter aus dem Stück geschrieben. Freilich wird er erwähnt und sein Brief taucht auf, aber seine langen Vergebungszenen entfallen.
Sara wirkt weitaus weniger tugendhaft. Viel mehr verdeutlicht die Inszenierung stärker das naive Mädchen. Insgesamt spielt sie aber eher eine Nebenrolle. Denn die meiste Zeit steht Marwood auf der Bühne und ringt um ihre verflossene Liebe.
Natürlich ist auch hier Marwood dafür verantwortlich, dass Sara am Ende stirbt und Mellefont sich umbringt. Sie kann nicht akzeptieren, dass sie nun nicht mehr geliebt wird und führt alles ins Feld, um Mellefont zurückzuerobern. Dass zum Beispiel ihr Argument, die gemeinsame Tochter Arabella brauche einen Vater, nur vorgeschoben ist, wird dadurch deutlich, dass sich Marwood in keiner Weise um die Belange ihrer Tochter kümmert. Alles was sie im Stück sagt und tut, muss also als List verstanden werden.
Und dennoch wird durch die Straffung deutlicher als im Dramentext, dass sie nicht die alleinig böse ist. Sie ist nicht die einzige, die der bürgerlichen Tugend und damit der Hochzeit Mellefont und Sara im Weg steht. Mellefont selbst hat durch seinen Lebensstil das Unglück heraufbeschworen. Das erkennt er auch im Original und bringt sich daher um. Auf der Bühne aber wird deutlicher, welche Schäden seine Affären hinterlassen haben. Marwood ist zu einem großen Teil das Opfer ihrer eigenen Gutmütigkeit, die von Mellefont ausgenutzt wurde und die sich danach in einen Wahn gesteigert hat. Aber selbst wenn man ihren Liebeswahn ignoriert, bleibt die Tatsache, dass Mellefont sie ihrer gesellschaftlichen Stellung beraubt hat und zu einer entehrten Person gemacht hat. Das scheint ihn kaum zu kümmern, er denkt allein an sich. Dadurch wird noch klarer, dass Mellefont die egozentrische Person in dem Stück ist, die zwar die wahre Liebe gefunden hat, sie aber nicht verdient. Tragischerweise vernichtet eine alte Liebe seine wahre Liebe und damit auch ihn.
Die Darstellung Marwoods in der Inszenierung des Berliner Ensembles überzeugt und ist sehr eindringlich. Die Kürzungen und Veränderungen des Stückes tun ihr genau so gut, wie die behutsame Modernisierung durch das Verwenden von Mobiltelefonen. Sehr gelungen ist daüber hinaus, dass zu Beginn, in der Mitte und am Schluss Fabeln zitiert werden, die höchstwahrscheinlich an den bekannten lessingschen Fabeln angelehnt sind. In ihnen dreht es sich zunächst um einen alternden Wolf, der auf die Hartherzigkeit der Welt mit rasendem Wahn reagiert (Marwood), und später um ein Schaf, das erst von Zeus eine Verteidigung gegen Feinde erbittet und sie ablehnt als es erkennen muss, dass dies seinen Charakter verändern wird und sich zum Schluss (diesmal für Jupiter) bereitwillig opfern lässt. Diese beiden Fabeln werden natürlich von Sara zitiert.
Die Inszenierung macht aus dem etwas gemächlichen und umfangreichen Werk eine berührende, gefühlvolle und dramatische Aufführung. Dabei stehen nicht so sehr die heilsamen bürgerlichen Werte und die „reinen“ Möglichkeiten des Bürgertums im Mittelpunkt, sondern das Leid, das durch das Erlöschen einer Liebe und die darauf folgende Eifersucht ausgelöst werden kann. Das nimmt den Zuschauer mit und lässt ihn nicht nur mit dem gescheiterten Paar, sondern auch mit der rasenden, liebestollen Marwood leiden.
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Die Bühne des Theaters kann nicht die enge einer kleinbürgerlichen Wohnung darstellen. Stattdessen wird zu Beginn des Stückes eine containergroße Wohnung aus dem Bühnenboden hochgefahren. Nur mit Mühe und Not passen die neun Schauspieler in das Zimmer mit den vielen Möbeln. Die gedrängte Atmosphäre ist somit nicht nur spürbar, sondern sofort ersichtlich. Das Zimmer ist beweglich, sodass es durch absenken oder schaukeln die Stimmung des Abends darstellen kann.
Obwohl der Raum viel zu klein ist und die Möbel hässlich, muss alles zu Beginn gelobt werden. Die Stimmung ist noch ausgezeichnet und der Stil gebietet frohe Worte. Lediglich eine verbitterte, aus unverständlichen Gründen mit der Familie befreundete Frau sprich von Anfang an all das aus, was eigentlich alle denken. Das wird zu dem Zeitpunkt jedoch noch von den Zoten des Bräutigamsvater übertönt.
Im Lauf des Abends stellt sich jedoch heraus, dass die Beziehungen zwischen allen Charakteren zerrüttet sind. Die Eltern des Bräutigams können ihre gegenseitigen Marotten nicht mehr ertragen. Die Braut ist von ihrer Schwester genervt, der Bräutigam von seinem besten Freund. Den Sohn der Vermieter, der die Schwester der Braut anmacht, möchte niemand eingeladen haben. Das befreundete Ehepaar sorgt ausschließlich für schlechte Stimmung da sich die Partner gegenseitig nur blamieren wollen. Und zuletzt stellt sich heraus, dass das Brautpaar nicht aus Liebe geheiratet hat, sondern nur um die Schmach einer unehelichen Schwangerschaft zu übertünchen.
Kurzum: Eigentlich ist nichts gut. Die zerfallenden Möbel deuten nur an, wie brüchig die kleinbürgerliche Fassade ist, die alle Beteiligten bis zum Schluss versuchen, aufrecht zu halten. Dabei wird häufig betont, wie wichtig doch die „deutsche“ Familie als Institution sei, obwohl die Runde zeigt, dass in vier beispielhaften Partnerschaften keine einzige dem Familienideal gerecht wird. Wirklichen Halt und Stabilität kann keine bieten.
Auf bitterböse Art wird also der bürgerliche Schein dekonstruiert. Das könnte lustig sein, ist es jedoch nur an wenigen Stellen. Es stechen vor allem die Eltern des Bräutigams hervor, die ausgezeichnet gespielt sind. Die anderen Rollen bleiben etwas blass, wirken meist übertrieben gespielt. Das sorgt – vielleicht gewollt – dafür, dass das Stück keine durchgehend lustige Satire ist.
Die Gäste verlassen am Ende eine völlig zerstörte Wohnung. Jeder am Anfang aufgekommene Spaß ist zu Ende. Die junge Ehefrau sorgt sich nicht um ihre Wohnung, sondern in erster Linie darum, dass die Gäste ihre „Schmach“ in die Welt hinaustragen und ihr das ewig anhängen wird. So wird zum Schluss deutlich, dass Kleinbürger zwar in kärglichen und unglücklichen Verhältnissen gefangen sind, Traditionen und Rituale sie aber daran hindern, ihrer Situation bewusst zu werden und den Unsinn um sie herum zu erkennen. Stattdessen sorgt das Netz an Wertvorstellungen dafür, dass sich die Verhältnisse nicht ändern. Das ist eine gute und interessante Botschaft, die aber einem eher anstrengenden als unterhaltsamen Theaterstück entspringt.
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