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Montag, 20. Februar 2012
Gelesen: Eine andere Welt (von Philip K. Dick)
Jason Taverner hat eine erfolgreiche Fernsehshow in einem Polizeistaat. Außerdem ist er ein genau so erfolgreicher Sänger und wird von den Frauen geliebt. Eine Frau, die er ausnutzt, rächt sich jedoch an ihm und verletzt ihn. Anstatt im Krankenhaus wacht er in einem heruntergekommenen Hotel auf. Dort muss er feststellen, dass seine Ausweispapiere verschwunden sind. Das bedeutet in dem Staat automatisch eine Einweisung in ein Zwangsarbeitslager. Doch Taverners Akte ist ebenfalls verschollen. Somit dürfte er in der autoritären Bürokratie gar nicht existieren.

Philip K. Dick macht an vielen Stellen deutlich, dass die Geschichte in den USA spielt. Der Polizeistaat sei zwar weltumspannend, doch sein Ausgangspunkt waren die Vereinigten Staaten. Der Klappentext verkündet, dass der Roman eine Reaktion auf die Machenschaften der Nixon-Regierung waren und dass das FBI Dick sogar wegen des Manuskripts beschattete. Dafür birgt der Text relativ wenig Sprengkraft. Denn das Regime ist zwar glaubwürdig geschildert, aber doch so ausgefeilt, dass viel geschehen muss, damit so etwas geschieht.

Der Roman ist, wie die meisten Kurzgeschichten Dicks auch, spannend und gut zu lesen. Von der ersten bis zur letzten Seite fiebert man mit Taverner mit, der sich durch einen Dschungel aus Überwachung, Korruption und skurrilen Gestalten kämpfen muss. Obwohl der Roman auf den ersten Blick leicht und etwas oberflächlich wirkt, beweist er an vielen Punkten Vielschichtigkeit.

Noch heute aktuell ist die Frage, was ein Mensch ohne Papiere eigentlich wert ist. Geschichten Staatenloser Menschen, die von einem Land ins andere abgeschoben werden, gibt es noch heute. Das Entsenden in ein Zwangsarbeitslager wirkt zwar brutal, ähnelt in gewisser Weise aber dem Umgang, den auch die BRD mit Immigranten ohne gültige Papiere betreibt. Interessant ist, dass das Regime bewusst anti intellektuel eingestellt ist. Studenten und Dozenten werden in den Universitäten quasi eingesperrt. Der Umgang mit ihnen ist allen anderen verboten. Daher hat jeder Angst vor diesen Menschen. Unklar ist jedoch, wie die Universitäten so lange überleben konnten, wenn sie doch von der Außenwelt abgeschnitten sind. Wahrscheinlich sind die Forschungsergebnisse für den Staat trotz allem wichtig, er will nur verhindern, dass die freie Atmosphäre, die für Forschungen notwendig ist, auf den Rest des Landes überschwappt.

Der Roman ist auch deswegen interessant, weil er gar nicht erst die Überlegung anstellt, dass das System verändert werden könnte. Nach einem Bürgerkrieg erlangte die Polizei so viel Macht, dass sie de Kontrolle übernahm. Mithilfe von Daten erfassenden Computern kontrolliert sie das ganze Land und jedes Individuum. Jason Taverner ist ein sehr egozentrischer Mensch, dem es in erster Linie darum geht, seine frühere Bekanntheit wieder herzustellen und zu seinen Frauen zurückzukehren. Er verschwendet daher nie einen Gedanken daran, dass das System nicht in Ordnung ist. Diese Überlegungen wurden der Bevölkerung scheinbar erfolgreich ausgetrieben, da sie die derzeitige Ordnung als völlig normal und richtig ansehen. "Eine andere Welt" setzt also dort an, wo das Regime in "1984" erst noch hin wollte.

Stattdessen entpuppt sich zum Schluss die Drogeneinnahme als wichtiges Thema des Buches. Hier sind genetische und biologische Experimente so weit, dass Drogen ganze Alternativwelten erschaffen können, die nicht nur den Einnehmer der Droge mitreißen, sondern auch sein gesamtes Umfeld. Dieser Handlungsstrang wirkt gering, ist aber letztendlich die Erklärung für die fantastischen Vorgänge um den Verlust Taverners Existenz. Es dauert eine Weile, bis man realisiert, einem Drogenrausch beigewohnt zu haben.

Zusätzlich gibt es noch eine Reihe versteckter Nebenhandlungen. So werden am Rande genetische Experimente, deren Produkt Taverner ist, genau so erwähnt, wie die Art, wie in der "anderen Welt" gewirtschaftet wird.

Wirklich gelungen ist das Ende. Denn es ist eigentlich - für Dick völlig untypisch - gut für Jason Taverner. Es kommt dorthin zurück, wo er begonnen hat. Er hat sein Ziel also erreicht. Ein Epilog beschreibt jedoch das weitere Schicksal der Charaktere und dadurch wird deutlich: In dem System kann niemand glücklich werden. Lediglich eine Ausnahme bestätigt diese Regelung. So präsentiert Dick einen spannenden und ausgefeilten Roman, der eindringlich davor warnt, die bürgerlichen Freiheiten zu achten und zu bewahren.

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