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Freitag, 25. Februar 2011
Syndrom oder Übersättigung?
Dieser Beitrag wurde in erster Linie für den Meinungsblog der Internetseite des Vorwärts geschrieben.

Die Mehrheit der Deutschen ist laut Meinungsforschungsinstituten immer noch gegen einen Rücktritt des Verteidigungsministers. Das gibt vielen Grund zum rätseln. Die meisten Zeitungen und ein Großteil der wissenschaftlichen Welt sind sich einig, die Plagiatsvorwürfe sind kein Kavaliersdelikt. Handelt es sich hier also wirklich um ein Guttenberg-Syndrom und das Volk will einfach nicht wahrhaben, dass sich der Verteidigungsminister vollkommen diskreditiert hat?

Immer wenn man über die Plagiatsaffäre redet, kommt irgendwann die Frage, ob Guttenberg jetzt eigentlich zurücktreten sollte. Bei keinem Nicht-Parteimitglied habe ich bisher ein eindeutiges Ja gehört. Ein eindeutiges Nein kam allerdings auch nicht vor. Stattdessen war die erste Reaktion in der Regel ein Schulterzucken.

Die ersten Rücktrittsforderungen kamen recht schnell. Die Plagiatsvorwürfe waren gerade erst ausgesprochen, die Suche nach weiteren Stellen lief an und schon kamen die Rücktrittsforderungen. Und das könnte der Grund für die Unsicherheit sein: Einen Rücktritt zu fordern, ist zur Zeit keine besonders innovative Idee.

Die Zeit nach der letzten Bundestagswahl ist reich an Rücktritten, zumindest in den Reihen der Union. Ich muss nicht aufzählen, wer die erste Reihe der Union alles verlassen hat. Rücktrittsforderungen findet man aber auch genügend. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt hat Siegmar Gabriel im Rahmen der Kundus-Affäre Guttenberg bereits zum Rücktritt geraten. Im Laufe des vergangenen Jahres gab es Kuriositäten wie einen CDU-Ministerpräsidenten, der einem CDU-Bundesminister rät, zurückzutreten, bloß weil man in Sachen Atomkraft nicht eine Meinung teilt. Aber auch Ilse Aigner wurde während des Dioxin-Skandals geraten, zurückzutreten, weil sie nicht schnell genug reagierte.

Mich störten die prominenten Rücktritte im vergangenen Jahr. Das vermittelte einen Eindruck, das ein politisches Amt nicht besonders wichtig sei. Mich stören aber genau so die ewigen Rücktrittsforderungen der Opposition. Obwohl sie sich jedes Mal an einer Sachfrage aufhängen, wirken sie gehäuft doch irgendwie albern. Menschen machen Fehler, Politiker auch. Natürlich gibt es Fehler bei denen ein Rücktritt sein muss. Aber in der Regel muss man den Akteuren auch die Chance geben, aus ihren Fehlern zu lernen. Aber für die Opposition ist ein beschädigter Minister doch beinahe praktischer als ein neuer, unverbrauchter. Außerdem musste ich an mir feststellen, dass ich bei den letzten Rücktrittsforderungen immer wieder unbewusst gedacht habe: Nicht schon wieder, also eine Art Rücktrittsforderungsübersättigung gespürt habe. 

So geht es mir jetzt auch mit zu Guttenberg.

Kanzlerin Merkel wird für ihre Äußerung bezüglich des Nichtbedarfs eines wissenschaftlichen Mitarbeiters kritisiert. Aber es ist schon so: Wenn ein Minister seinen Job richtig gut macht, dann könnte man schon darüber hinwegsehen, dass er sich in wissenschaftlicher Hinsicht völlig diskreditiert hat. Das Problem ist aber, dass ich nicht finde, dass Guttenberg einen richtig guten Job gemacht hat. Opel-Rettung, Quelle-Rettung, Anwalts-Kosten, Kundus-Affäre, Brief-Affäre, nicht eingehaltene Einsparungsversprechungen, Talkshow im Krieg, Brief-Affäre, Gorch-Fock-Affäre und das Ganze verbunden mit dem Anschein, dass die Selbstinszenierung im Normalfall wichtiger ist als die Tagespolitik. Im Vergleich zu all diesen unglücklichen Leistungen Guttenbergs wirkt die Plagiatsaffäre in meinen Augen beinahe nichtig, weil sie mit seinen politischen Taten kaum etwas zu tun hat.

Und in diesem Zusammenhang ist es (beinahe) verständlich, dass viele hinter den Vorwürfen eine Hetzjagd sehen. Wenn er das Parlament vermutlich belogen hat und nicht zurücktritt, warum sollte er dann wegen eines Plagiates zurücktreten?

Mir ist bis heute schleierhaft, woher Guttenbergs Popularität kommt. Schließlich ist er seit seiner Opel-Rücktrittsankündigung in unglaubwürdige Vorgänge verstrickt und selbst begrüßenswerte Vorhaben wie zum Beispiel die Bundeswehrreform werden zunächst lautstark angepriesen und dann stillschweigend verschoben. Dennoch surft er ganz oben auf einer „Ich bin anders“-Welle. Und diese Popularitätswelle konnte mit politischen Fehltritten nicht gebrochen werden, warum sollte sie nun mit einem wissenschaftlichen Fehltritt brechen?

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