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Mittwoch, 18. April 2012
Gesehen: Die heilige Johanna der Schlachthöfe (im Deutschen Theater)
Der Fleischproduzent Pierpont Mauler in Chicago erhält regelmäßig Tipps aus New York, wie er sein Unternehmen zu führen hat. So verkauft er mal seine Fleischproduktion, nur um danach um so heftiger damit zu spekulieren. Darunter leiden vor allem die Arbeiter. Erst werden die Löhne gekürzt, danach stehen sie sogar ganz ohne Arbeit da. In diese Situation stößt Johanna Dark von den „schwarzen Strohhüten“. Dabei handelt es sich um eine religiöse Organisation, die das Wort Gottes verbreiten möchte. Johanna glaubt, Sitte und Anstand werden wieder Einzug halten, wenn es den Arbeitern besser geht. Daher versucht sie mit den Kapitalisten zusammenzuarbeiten, um gerechte Löhne und gute Arbeit zu beschaffen. Das geht natürlich schief.

Das Stück eignet sich prima für die heutige Zeit. Mauler verdient im Verlauf des Stückes unter anderem damit, dass Lebensmittel vernichtet werden, damit der Preis höher wird. Was in den 30er Jahren angesichts hungernder Arbeiter zynisch wirkt, ist heute ebenso zynisch angesichts des Hungers in der Welt und wird dennoch betrieben. Die Inszenierung bezieht sich häufig auf die Gegenwart. So wird die Anzahl der Hungertoten während der Aufführung eben so eingeblendet, wie starke Kursverfälle an der Börse.

Die Inszenierung ist sehr gelungen und ausgefeilt. Das beginnt mit der Bühne. Die dargestellten Szenen werden auf einer Leinwand mit Filmen begleitet. Zunächst wirkt es so, als sei extra ein Film gedreht worden. Im Lauf des Stückes stellt sich heraus, dass der Film während der Aufführung gedreht wird. Auf einem Tisch ist ein Miniaturchicago aufgebaut, das live gefilmt wird. Insgesamt kann man alle Bühnenfunktionen während des Stückes live miterleben. Dadurch wird immer wieder deutlich gemacht, dass es sich um eine künstlich geschaffene Welt handelt.

Dazu tragen auch die Schauspieler bei, die immer wieder aus ihrer Rolle fallen. Zunächst identifizieren sie sich kaum mit ihrer Rolle, sondern spulen ihren Text gelangweilt ab. Die Darstellerin von Johanna scheint rasch in ihre Rolle zu finden. Die drei anderen Schauspieler wiederum streiten sich lange darum, wer Mauler sein darf. Leider tun sie das etwas zu lang. Das ist jedoch auch der einzige Manko an dem Stück. Die fünfte Schauspielerin, eine arme Arbeitergattin, bleibt die ganze Zeit in ihrer Rolle.

Begleitet werden die fünf von einem Chor, der geschickt eingesetzt wird und für viel Atmosphäre sorgt. Einige instrumentale Stücke eurden extra für diese Inszenierung komponiert. Das alles trägt zu einer stimmungsvollen Kulisse bei.

Johannas Wandlung ist sehr gut dargestellt. Am Anfang arbeitet sie mit Mauler zusammen. Sie glaubt fest daran, dass man nur vernünftig mit der Kapitalseite sprechen muss, um zum Ziel zu gelangen. Erst durch Maulers Spekulationstricks merkt sie, dass dies nicht reicht. Als sie endlich bereit ist, offen zu aktivem Widerstand aufzurufen, ist es bereits zu spät. Ein erster Streik wurde blutig niedergeschossen. Außerdem wird sie heilig gesprochen und so mit Lob überschüttet, dass ihre Kritik gar nicht mehr bei den richtigen ankommt. Der Aufruf zu Gewalt zum Schluss ist zwar heute eine ungünstiger Schluss für ein Stück, ist von Brecht allerdings vorgegeben.

Insgesamt ist die Johanna-Inszenierung am Deutschen Theater eine mitreißende und nachdenkliche Aufführung, die dem Zuschauer zwar einen bewegenden und unterhaltsamen Abend beschert, ihn jedoch auch mit der Botschaft entlässt, dass es keine Gerechtigkeit gibt, solange das System noch Bestand hat.

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