Neue Homepage: Ich habe eine neue Homepage, die man unter www.gedankenecke.com erreicht. Zur Zeit werden Stück für Stück die mittlerweile über 1 000 Beiträge dieses Blogs von mir rüberkopiert (bin bei Oktober 2008 angekommen) und die neuen Artikel seit "Homepagegründung" sind da ebenfalls zu finden. Der größte Vorteil, den die neue Seite bietet ist, dass endlich jeder kommentieren kann und man sich nicht mehr registrieren braucht.
Mittwoch, 20. Juni 2012
Antoni/Karge: Brecht (im Berliner Ensemble)
Ein Abend mit Brecht-Liedern, -Balladen und -Zitaten. Präsentiert von zwei langjährigen Schauspielern. Das klingt vergnüglich und ist es auch. Dabei kommt dem Programm zugute, dass die ausgewählten Werke nicht zu Brechts bekanntesten gehören. Auf diese Weise lernt man Lieder des Künstlers kennen, die ansonsten auf Bühnen und Platten selten vorkommen.

Es gibt eine lose Rahmenhandlung, die sich um die Beziehung der beiden Schauspieler zueinander dreht. Hier will der Funke nicht richtig rüberspringen. Ein Eingangsstück, das von Band abgespielt wird, ist gut gesprochen. Und es ist eine gute Idee, offen zu legen, wie sich die Antoni und Karge kennengelernt haben. Aber - und das gilt auch für die anderen Zwischentexte - es wirkt nicht so spontant wie es wirken sollte. Stattdessen merkt man, dass alles geplant ist. Das ist nicht verwunderlich, aber das Whiskey trinken wirkt genau so gewollt wie das Protestieren darüber, ein bestimmtes Lied singen zu müssen (was im Programm bereits angekündigt ist). In solchen Fällen hätte man das Beiwerk auch einfach weglassen können.

Die Auswahl an Liedern ist meistens unterhaltsam. Erst gegen Ende wirken sieben, rasch heruntergeratterte Geschichten von Herrn Keuner etwas lieblos. Vorher aber arbeiten Antoni und Karge einen kritischen, politischen und dabei aber doch unterhaltsameren, revueartigen Brecht heraus. Das sorgt für unterhaltsame 75 Minuten.

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Dienstag, 19. Juni 2012
Gehört: Irgendwo in Berlin (von Rosenstolz)
Das vorletzte Lied auf dem Album "WIr sind am Leben" ist eine Liebeserklärung an Berlin. Zu einem dezenten Rhythmus, der anfänglich aus Klavierklängen, später auch aus Bass und Gitarre besteht, singt AnNa R. erst leise, später mit mehr einsetzenden Instrumenten lauter, die anhimmelnden Zeilen.

Obwohl Berlin durch den Krieg geteilt, nach der Wende mit Bausünden ausgestattet und dadurch heute ohne Zentrum dasteht (Hat Dein Herz auch Narben) , ist es doch eine offenherzige Stadt (Deine Tür bleibt immer auf), die niemanden wieder loslässt. Obwohl man regelmäßig etwas Abstand zu der Stadt braucht, bestätigt dieser doch immer wieder nur, wie gut Berlin tut (doch damit ich sicher bin, muss ich immer wieder fliehn). Die Stadt kann dem Bewohner ein Gefühl von Heimat geben (Irgendwo in Berlin, gehör ich hin).

Daher transportiert der erste Teil des Refrains mehrere Erinnerungen an Berlin (In dieser Stadt da lernt ich küssen). Der zweite Abschnitt dreht sich hingegen um die Gegenwart in Berlin (sie spielen unser Lieblingslied, in den Straßen von Berlin). Mit dem Refrain wird in dem Stück relativ frei umgegangen. Er wird nach der zweiten Strophe noch einmal wiederholt, dann fällt der erinnernde Teil weg. Stattdessen fokussiert sich die zweite Hälfte des Stückes allein auf die Wiederholung der Aufforderung: Lass uns tanzen. Eine Aktivität zu der Berlin wohl geradezu einlädt.

In der zweiten Strophe werden noch drei weitere Besonderheiten Berlins genannt. Das Alter und die Geschichtsträchtigkeit stehen der Stadt gut (Du bist älter geworden und das steht Dir ziemlich gut). Zweitens ist die Stadt trotz aller Widrigkeiten schön (Du weißt Dich so gut zu kleiden) und zeigt das vor allem nachts (richtig schön bist Du bei Nacht). Zuletzt ist die Stadt von überzeugender Ehrlichkeit gezeichnet (Und Du sagst, was Du meinst).

"Irgendwo in Berlin" ist ein Liebeslied an die Bundeshauptstadt. Dabei ist die größte Schwäche des Liedes, dass es tatsächlich konkret eine Stadt benennt. Aus demselben Text ohne konkreten Berlinbezug wäre ein Lied geworden, dass auf viele (Heimat)Städte und sogar auf Personen bezogen werden könnte. Aber als Berliner Band ist es natürlich verständlich, dass Rosenstolz ihre Heimatstadt konkret preisen wollen.

Trotz der mangelnden Projektionsfähigkeit auf persönliche Themen gehört "Irgendwo in Berlin" mit seiner ruhigen und melancholischen Art zu den Highlights der Platte. Es wirkt weniger sperrig als "E.N.E.R.G.I.E" und weniger beliebig wie das inhaltlich gute "Marilyn". Damit ist es ein eingängiges, bewegendes Lied, das man aber wohl erst richtig fühlen kann, wenn man lange Jahre in Berlin gewohnt hat.

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Montag, 18. Juni 2012
Frankreich: Sozialistische Mehrheit, ohne Republikanische Front gegen Rechtsextremisten
Frankreich hat gestern im zweiten Wahlgang die letzten Plätze der Nationalversammlung gewählt. Für die Sozialisten um François Hollande war die Wahl ein Triumph: Sie holten die absolute Mehrheit. Die konservative UMP musste eben so eine Niederlage einstecken wie die extrem Linke Front de Gauche. Anders sieht es bei den Rechtsextremisten aus. Der Front National ist erstmals seit 1986 wieder mit Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten.mehr

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Sonntag, 17. Juni 2012
Gelesen: Träumen Androiden von elektrischen Schafen (Blade Runner) (von Philip K. Dick)
Der dritte Weltkrieg hat die Erde beinahe unbewohnbar gemacht. Wer nicht auf den Mars fliehen kann, riskiert auf der Erde gesundheitliche Schäden durch atomare Strahlung. Da Tiere während des Krieges knapp geworden sind, ist es in der post-Kriegsreligion ein wichtiges Element, ein Tier zu halten. Der Blade Runner Rick Deckard kann sich derzeit aber nur ein elektrisches Tier leisten. Um ein echtes Tier zu erlangen, muss er Erfolg in seinem Job haben: Für jeden Androiden, die Menschen mittlerweile täuschend ähnlich sind, den er fasst, erhält er 1 000 Dollar.

Dieser spannende Roman fesselt den Leser von Anfang bis Ende. Dick gelingt es wieder einmal, den Leser bereits nach wenigen Sätzen in eine dystopische Zukunftswelt zu entführen. Wenig wird erklärt und doch hat man die Postkriegswelt sofort vor Augen.

Glorreich ist dabei der Widerspruch zwischen der merceristischen Menschheit und ihrem Verhalten gegenüber den Androiden. Nach dem Krieg sagte der Mercerismus, dass die Menschheit sich auf ihre Gefühle, ihre Empathie konzentrieren sollte. Mord ist die größte Sünde und wird streng geahndet. Mittlerweile können die Menschen ihre Gefühle mittels Maschinen kontrollieren, tun sich gegenseitig kein Leid mehr an und lieben ihre Tiere. Allein die Vorstellung, einem Tier könnte etwas zuleide geschehen, ist für die meisten Menschen unerträglich.

Androiden werden an Menschen vergeben, die sich entschließen, die Erde zu verlassen. Sie dienen auf dem Mars als Sklaven, obwohl sie von Menschen mittlerweile nicht mehr zu unterscheiden sind. Einige Androiden rebellieren dagegen, töten ihre Besitzer und fliehen zurück zur Erde. Dort werden sie von Blade Runnern wie Deckert gejagt. Androiden können nur durch ihren empathischen Mangel erkannt werden. Sie reagieren nicht so schnell auf Tierquälerei wie Menschen.

Hier bricht der beißende Sarkasmus Dicks durch. Allein die Tatsache, dass Androiden ein paar zehntel Sekunden weniger empathisch als Menschen sind, reicht für Menschen aus, um sie kalt und effizient zu töten. Jedes Tier wird besser behandelt als die menschengleichen Androiden, obwohl die Androiden ihre Wünsche und Hoffnungen sogar artikulieren können. Besonders paradox wirkt dies, angesichts der Tatsache, dass Menschen ihre Gefühle mithilfe von Maschinen steuern. Gleichzeitig haben sie kein Problem gefühlsbesitzende Maschinen zu zerstören.

Im Laufe des Romans beschreibt Dick anhand des „Sonderfalls“ Isodore wie die post-Kriegsgesellschaft mit Strahlenschäden umgeht. Außerdem dekonstruiert Dick das zunächst so offensichtlich erscheinende Szenario.

Ausgiebig wird mit der Frage, was eigentlich menschlich ist, gespielt. Als die Androiden-Testmethode nicht mehr über alle Zweifel erhaben ist, kann auf einmal jeder ein Android sein. Aber Dick streut auch Zweifel darüber, ob es auf dem Mars wirklich besser ist als auf der Erde, wer eigentlich Mercer ist und das führt zu einem spannenden, aufwühlenden und nachdenklichen Finale. Diese Eigenschaften passen auf das gesamte Buch, das spannend zu lesen ist und so unterhaltsam, spöttisch und doch anregend die Frage, was eigentlich das Menschsein ausmacht, thematisiert.

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Samstag, 16. Juni 2012
Gelesen: Romanas Entscheidung


"Romanas Entscheidung" ist ein routinierter Roman, der ein weiteres Akoluthorum zutage bringt. Dabei wird die Einsamkeit der Wanagi Romana Hel'gara unter den Menschen etwas beleuchtet und eine Volks, das nur aus Frauen besteht erforscht. Leider wird dabei vergessen, dass man zu Beginn mit dem Volk Kontakt aufgenommen hat. Am Ende aber scheint die Möglichkeit, Außerirdische befinden sich auf der Welt, eine wirkliche Überraschung zu sein. In dem Fall hätte erklärt werden müssen, dass die isolationistische Kultur dazu geführt hat, dass die "normalen" Bürger der Welt mit Außerirdischen nun einmal nicht rechnen.

Die ganze Rezension findet sich wie immer auf SF-Radio:
Sternenfaust Band 192 - Romanas Entscheidung (von Gerry Haynaly)

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Freitag, 15. Juni 2012
Parteikonvent: Viel Inhalt ohne Publikum?
Morgen findet von 11 bis 17 Uhr der SPD-Parteikonvent im Willy-Brandt-Haus statt. Die Agenda kann sich sehen lassen. Die als kleiner Parteitag konzipierte Institution soll sich in erster Linie mit den Themen "Kommunal-", "Jugend-" und "Außen- und Sicherheitspolitik" beschäftigen. Vorraussichtlich wird eine Debatte zu dem Fiskalpakt hinzugefügt. Der Parteikonvent wurde auf dem letzten ordentlichen Bundesparteitag in das Organisationsstatut geschrieben. Angelehnt an den "Arbeitsparteitag" 2010, der sich nicht mit Wahlen, sondern ausschließlich mit Inhalten beschäftigte, sollte so ein beschlussfassendes Gremium entstehen, das sich zwei Mal im Jahr (wenn es keinen Parteitag gibt) und einmal im Jahr (wenn es dazu einen Parteitag gibt) um das inhaltliche Profil der Partei kümmert. Eine schöne Idee.

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Donnerstag, 14. Juni 2012
Gelesen: Friedrich Ebert (von Peter-Christian Witt)
Dieses Werk ist neben dem geschichtswissenschaftlichen Mammutwerk von Walter Mühlhausen, das ebenfalls im Dietz-Verlag erscheint, das einzige, noch verlegte Überblickswerk zu Friedrich Ebert. Das erstaunt ein wenig, schließlich liegt die Deutungshoheit über den durchaus umstrittenen ersten Reichskanzler der Weimarer Republik damit ausschließlich bei einem Verlag, der im Besitz der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung ist.

Es verwundert daher nicht, dass dies keine kritische Betrachtung des Wirken Eberts ist. Überraschenderweise ist es aber auch keine reine Lobpreisung. Der Autor legt stattdessen großen Wert auf die biographischen und politischen Wurzeln Eberts. Der Zeit bis 1918 widmet er die Hälfte des Buches. Das ist überwiegend interessant und spannend. Eberts Zeit als Wirt in Bremen, seine Gewerkschafts- und Parteiaktivitäten sowie seine ersten Studien sind Details, die mir zuvor nicht geläufig waren.

In der zweiten Hälfte über Eberts Wirken während der Novemberrevolution sowie seiner Jahre als Reichspräsident bemüht sich der Autor um einen differenzierten Ton. Dabei lässt sich jedoch nicht verhehlen, dass Witt immer bemüht ist, Eberts Position nachvollziehbar zu machen. So macht er deutlich, dass Ebert als Verteidiger eines parlamentarischen Systems gar keine andere Wahl hatte, als sich gegen linksradikale Kräfte zu stellen und dass das 1918/19 nur mithilfe der Armee ging. Gleichzeitig verschweigt Witt jedoch nicht, dass sich Eberts Pläne in vielen Punkten nicht erfüllt haben und die von ihm erhoffte Republikanisierung vor allem der Armee nicht gelang.

In diesem Abschnitt beschreibt Witt nicht nur das Handeln Eberts, sondern skizziert darüber hinaus die jeweiligen Reichsregierungen, die aktuellen politischen Diskussionen und das Verhalten der SPD in den Jahren 1918 bis 1925. Dadurch wirkt der zweite Abschnitt sehr überladen. Außerdem dreht sich nicht mehr alles um Ebert selbst, wie es in der ersten Hälfte des Buches noch der Fall ist. Das ist schade, denn nach der neutralen Beschreibung von Eberts Lebensweg ist man nun auf die Wertungen des Autors angewiesen. Der gibt mal den Sozialdemokraten, mal den bürgerlichen Parteien die Schuld daran, dass Eberts Kompromissstrategie letztendlich scheiterte. Andererseits wäre Eberts wirken ohne einen Rückgriff auf die ihn umgebende Politik nicht zu verstehen.

Dennoch hätte es dem Buch gut getan, wäre der zweite Abschnitt noch ausführlicher. Es bleibt dem Autor genügend Raum, um immer wieder darauf hinzuweisen, dass Ebert alles Erdenkliche tat, um für eine kompromissbereite politische Kultur zu sorgen. Das Projekt scheiterte, Ebert sah sich am Ende aufgrund seiner Kompromisstrategie politischen Angriffen aus dem eigenen Lager ausgesetzt und erlag schließlich einer verschleppten Blinddarmentzündung.

Witts Buch, das im Fließtext der Lesbarkeit wegen selten mit Quellen arbeitet und diese lieber an das Ende des Kapitels stellt, gibt einen guten Überblick über das Leben Eberts, seinen Taten und Handlungsmöglichkeiten während seiner Präsidentschaft und seiner Bewertung durch Zeitgenossen. Das geschieht überraschend differenziert, wobei im Zweifel eher dem Umfeld und auch der SPD als Ebert die Schuld an dem Misslingen seiner Bemühungen um eine soziale Demokratie gegeben wird. Die ausgewogene Bewertung und die Details aus Eberts Leben vor Präsidentschaftszeit machen das Buch lesenswert.

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Mittwoch, 13. Juni 2012
Gesehen: Frühlings Erwachen (im Berliner Ensemble)
Melchior Gabor ist, für die repressive Gesellschaft in der er erlebt, für einen vierzehnjährigen überraschend aufgeklärt und frei. Er muss erleben, wie sein bester Freund Moritz Stiefel den Druck des Gymnasiums nicht mehr erträgt und sich umbringt. Der Selbstmord wird ihm zur Last gelegt, da er Moritz zuvor schriftlich aufgeklärt hat. Melchior selbst experimentiert jedoch bereits mit dem anderen Geschlecht in Person von Wendla Bergmann. Diese wird von ihrer Mutter noch immer in dem Glauben gelassen, dass der Storch die Kinder bringt und wird daher ungewollt schwanger. Sie stirbt bei dem Versuch ihrer Mutter, das Kind abzutreiben. Melchior wird in eine Anstalt eingewiesen und steht kurz davor sich ebenfalls umzubringen. Ein Unbekannter hält ihn davon ab.

Das Berliner Ensemble inszeniert Wedekinds bekanntestes Stück sehr nah an der Vorlage. Es gibt keine gegenständliche Kulisse. Die einzige Ausnahme bildet der letzte Auftritt, der Friedhof wird mit Grabsteinen dargestellt. Die Bühne ist durch eine Wand getrennt. Die Wand ist in mehre Abschnitte geteilt, die sich um ihre eigene Achse drehen lassen. Dadurch kann die Bühne regelmäßig durchlässig gemacht werden und die einzelnen Wandteile in das Stück eingebunden werden. So sind sie mal Tür, mal Baum und eignen sich zudem in ihrer Drehgeschwindigkeit als Ausdruck der Gefühle der Protagonisten. Bis auf Wendla sind alle Schauspieler in schwarz oder weiß gekleidet. Farbe gibt es kaum.

Die Inszenierung verkürzt nicht die witzigen Elemente des Stückes. Trotz der zwei Tragödien des Stückes gibt es genügend Stellen zum Schmunzeln, sodass das die Aufführung trotz des ernsten Themas sehr kurzweilig ist. Vor allem die Ironie der Professorenrunde ist sehr gelulngen auf die Bühne gebracht worden. Aber auch in den anderen Auftritten wurden die humoristischen Ansätze beibehalten.

Dabei wird jedoch auch deutlich, dass allen Jugendlichen eine erfahrene Bezugsperson fehlt. Sie alle strotzen vor Experimentierlust. Sie wissen aber nicht, was sie wie tun können. Vieles, was mit ihnen geschieht, beschämt sie. Sie versuchen, sich gegenseitig anzuvertrauen. Aufgrund der dabei - gerade bei Jungen - unvermeintlichen Prahlerei und der gleichzeitigen Schamhaftigkeit führt das aber nicht zu der notwendigen Ernsthaftigkeit und Offenheit. Das merkt man auf der Bühne deutlich.

An einigen Stellen hätte das Stück allerdings etwas gestrafft werden können. Obwohl die Darstellerin von Melchiors MUtter sehr überzeugend ist, hätte die Rezitation ihres Briefes an Moritz Stiefel nicht sein müssen. Auch die Szene, in der der Gymnasiast Hans seine Wichsvorlage in der Toilette entsorgt, drückt aufgrund ihrer Länge zwar die gewollte Hemmnis gegen die Zerstörung des Bildes aus, ist aber nun einmal vor allem Lang. Das sonst hohe Tempo des Stückes wird in diesen Momenten unnötig gedrosselt.

Insgesamt schafft die Inszenierung den Spagat zwischen Unterhaltung und Ernsthaftigkeit sehr gut. Insbesonders der gewollt unglaubwürdige Schluss durch das plötzliche Auftauchen einer verständnisvollen, erwachsenen und gleichzeitig aufklärenden Bezugsperson ist trotz ihrer Kitschigkeit hier sehr gelungen.

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Dienstag, 12. Juni 2012
Gehört: Flugzeug (von Rosenstolz)
Rhythmisch ist dieses Lied sehr eintönig. Wie ein durchschnittlicher Disko-Song knallt der Bass im Hintergrund, dazu ertönen gelegentlich Synthesizer. Diese Gleichmäßigkeit hebt das Lied aber ab von dem wilden E.N.E.R.G.I.E. und dem sehr ruhigen Wir küssen Amok, die auf der Platte davor sind. Gleichzeitig fällt auf, dass nur in diesem Lied bereits die Töne für gute Laune sorgen. So schlicht der Rhythmus auch ist, er hat einen offensichtlichen Vorwärtsdrang. Anders als die teilweise sehr in sich gekehrten, verzweifelt-hoffenden Lieder zuvor drückt "Flugzeug" grenzenlosen Optimismus aus.

Vergleichbar ist das auf dem Album nur mit dem Eingangslied Wir sind am Leben. Doch während das Lied ein Aufruf zur Reflektion über bisher Geleistetes sowie die Vergewisserung der eigenen Handlungsfähigkeit ist, schreibt der Aufruf "Lebe" aus "Flugzeug" heraus.

Der Text ist dabei ähnlich vereinfacht wie der Rhythmus. In der ersten Strophe wird klar gemacht: Du hast nichts mehr zu verlieren. Ganz offensichtlich ist die Situation schwierig, zuvor wird mit Regen- und Sturmmetaphern gespielt. Nach dieser Feststellung dreht sich der Rest des Liedes um Start und Flug. Da man ja nichts zu verlieren hat, muss man ins Licht. Egal wie die Rahmenbedingungen sind (Auch wenn Dein Flugzeug keine Flügel hat) darf das nicht verhindern, den eigenen Weg, die eigenen Ziele, das eigene Glück - kurz: das Licht - zu finden (flieg los - und es hebt trotzdem ab). "Flugzeug" ist damit in erster Linie ein Lied gegen die Resignation.

Erst in den letzten Zeilen wird das Lied um einen weiteren Aspekt erweitert. Dort heißt es: Es tut gut, wenn wir uns sehn / ab und zu mal fliegen gehn / denn mit Dir flieg ich so weit / bist Du da, bin ich bereit. Nachdem zuvor dazu aufgefordert wurde, sich aus dem Trübsal zu erheben und einen eigenen, eventuell glücklicheren Weg zu gehen, zeichnet sich am Ende das Ziel ab. Wenn man mit sich selbst im Reinen ist, sich also aufgerafft hat, zu fliegen, dann ist man auch für Mitmenschen wieder erträglich. Das muss nicht heißen, alle Probleme zu ignorieren. Nur gelgentlich muss man sich bei aller Trauer einfach mit Freunden amüsieren. Das tun die gerne und hilft gleichzeitig.

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Montag, 11. Juni 2012
Warum sollten Piraten ihr Mandat bezahlen?
Medienberichten zufolge hat Piratenparteichef Bernd Schlömer die Landtagsabgeordneten der PIratenpartei darum gebeten, die Parteistruktur mit zu finanzieren. Das wirkt zunächst ungeheuerlich. Mit dem Geld der Steuerzahler werden die Abgeordneten finanziert und das soll nun an die Partei gehen? Nimmt die Piratenpartei damit Teil an der angeblichen Selbstbedienungs- und Filzmentalität der deutschen Parteien? Nein, sie übernimmt lediglich eines der brauchbaren Mittel zur Parteienfinanzierung.mehr

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Sonntag, 10. Juni 2012
Gelesen: Plagues Of Night (von David R. George III)


Nach dem enttäuschenden vorherigen Roman der Reihe wird die Handlung um den "Typhon Pact" fortgesetzt. David R. George III nimmt sich viele Themen vor, was zu einem hektischen, überladenen und zerfaserten Eindruck des Romans führt. Bei den Charaktern gelingt es ihm nicht Captain Sisko auf der Robinson und Prynn Tenmei auf Deep Space Nine überzeugende Handlungen zu verschaffen.

Aber: Der Roman bringt die Handlung um den Typhon Pact voran und ist für Leser, die die Geschichte der Föderation nach dem letzten "Star Trek"-Film in der originalen Zeitlinie ("Nemesis) weiterhin interessiert, unverzichtbar. Das ist aufgrund der vielen Themen nicht langweilig, aber auch nicht wirklich gut.

Die komplette Rezension findet man auf Trekzone:

Star Trek Typhon Pact: Plagues Of Night (von David R. George III)

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Samstag, 9. Juni 2012
Gelesen: Unter zwei Monden


"Unter zwei Monden" ist der dritte Teil einer bisher handlungsarmen und inhaltlich unsinnigen Staffel. Erschreckenderweise ändert der Roman an diesen beiden Attributen gar nichts. Stattdessen wird der Leser mit einer Transit-Handlung, die die vielen "Ich geh von A nach B"-Handlungen der zweiten Staffel an Handlungsarmut noch unterbietet, und einer sterotypen Entführungsgeschichte samt Quoten-Wahnsinnigem gelangweilt.

Die komplette Rezension zu dem Roman findet man wie immer auf SF-Radio:

Perry Rhodan Neo Band 19 - Unter zwei Monden (von Marc A. Herren)

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Freitag, 8. Juni 2012
Ihr habt den Krieg verloren?
Am vergangenen Wochenende haben die Linken ihre neue Parteispitze gewählt. Egal wie sich die Delegierten entschieden hätten, die mediale Bewertung wäre so katastrophal ausgefallen wie es nun geschehen ist. Das ist traurig, denn Kampfkandidaturen sind eigentlich etwas sehr demokratisches. Natürlich werden dadurch die Konfliktlinien innerhalb einer Partei offenbar. Aber möchte man wirklich Parteien, in denen tausende Mitglieder das selbe denken und alles abnicken? Es ist daher traurig, dass dem neuen Führungsduo nicht einmal eine Schonzeit zugesprochen wird, sondern jeder Kommentar bereits von ihrem Scheitern ausgeht.mehr

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Donnerstag, 7. Juni 2012
Gelesen: Frühlings Erwachen (von Frank Wedekind)
Das 1891 erschienene Werk Wedekinds behandelt die Schwierigkeiten des Reifeprozesses an einem Gymnasium. Im Mittelpunkt stehen vierzehn- bis fünfzehnjährige Jugendliche. Melchior Gabor ist gut in der Schule und dank seiner liberalen Eltern bereits recht aufgeklärt. Moritz Stiefel droht von der Schule wegen schlechter Leistung verwiesen zu werden. Davor hat er große Angst, da er dann Probleme mit seinen Eltern, die ihn ansonsten ignorieren, bekommen würde. Für ihn ist daher klar, schafft er die Schule nicht, beendet er sein Leben. Wendla Bergmann hat zwar eine gütige, aber konservative Mutter. Sie wird im ganzen Stück nicht aufgeklärt und weiß daher nicht wie man schwanger wird und versteht nicht, was geschieht, als sie es tatsächlich wird. Sie alle stehen unter dem Druck der Schule, während sie gleichzeitig ihre Sexualität, über die sie von ihren Eltern kaum etwas erfahren, entweder nicht verstehen oder für eine Sünde halten müssen.

Um diese drei Hauptcharaktere entfaltet Wedekind eine konservative Erziehungslandschaft, die lediglich von Melchiors Mutter gebrochen wird. Das ist an einigen Stellen komisch. Sowohl der Schrecken, der Wendlas Mutter befällt, als von ihr verlangt wird, sie aufzuklären, als auch das Lehrerkollegium, das an der Wand zwar bekannte Aufklärer hängen hat, sich selbst jedoch keine Gedanken über die richtigen Erziehungsmethoden macht. Freilich wird jeder Humor durch die tragischen Ereignisse des Stückes begrenzt.

Denn die Lehrer nehmen natürlich keine Rücksicht auf Moritz Situation. Er schafft es zwar gerade das Schuljahr zu bestehen, doch wird deutlich, dass er langfristig sitzen bleiben wird. Als Melchiors Mutter ihm ein Ticket nach Amerika versagt, bringt er sich um. Die Schuld wird Melchior zugeschrieben, da dieser Moritz schrifltich erklärt hat, wie der Geschlechtsakt funktioniert. Zu keinem Zeitpunkt wird an Melchiors Schuld gezweifelt, niemand kommt auf die Idee, sich über weitere Gründe für den Selbstmord des Jungen Gedanken zu machen.

Zu allem Überfluss schwängert Melchior Wendla durch eine Vergewaltigung. Diese weiß gar nicht, dass sie schwanger ist. Ihre Mutter bemerkt es und versucht ihrer Tochter zunächst Bleichsucht einzureden. Die Enthüllung der Schwangerschaft ist für Wendla dann natürlich erst einmal nicht zu glauben. Die Mutter nimmt eine Abtreibung vor, um die Familie vor der Schande zu bewahren. Die Abtreibung geht schief, Wendla stirbt.

Melchior macht sich zum Schluss daher ernsthafte Schuldvorwürfe. Das ist in beiden Fällen nicht unberechtigt. Weder konnte er seinen Freund stützten, noch hat er die Konsequenzen seines Tuns für seine Geliebte vorausgesehen. Denn bei Melchiors Kenntnisstand wusste er über die Auslöser für eine Schwangerschaft Bescheid. Aber das Stück zeigt deutlich, dass auch ein liberales Elternhaus allein nicht ausreicht, um einen Jugendlichen glücklich zu machen. Melchior ist nämlich selbst vor den Tragödien nicht durchgehend glücklich. Das gehört zu dem Lebensabschnitt aber dazu und Melchior hat als einziger Jugendlicher die Freiheit zu experimentieren, ohne von prüden Eltern behindert zu werden. Sein Unglück wird durch die ihn umgebenden Verhältnisse ausgelöst, er erkennt die Probleme offensichtlich gar nicht.

Melchior ist am Ende selbst am Verzweifeln, wird aber von einem vermummten Mann wieder ins Leben zurückgeführt. Das wirkt wie ein kleines Wunder, verlässt jeden Realismus. Doch in der verfahrenen Situation hätte Melchior wohl durch nichts anderes gerettet werden können.

"Frühlings Erwachen" ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was geschieht, wenn Erwachsene Jugendliche weder ernst nehmen, noch als Jugendliche betrachten. Mit dem Ziel, die Jugendlichen zu schützen, werden ihnen im Stück wichtige Informationen vorenthalten, während sie gleichzeitig enormen Repressionen im Schulbetrieb ausgesetzt sind. Selbst ein Jugendlicher aus liberalem Elternhaus kann dabei zur Verzweiflung gebracht werden und benötigt ein kleines Wunder, um zur Lebensfreude zurückgeführt zu werden. An dem Stück wird spannend deutlich, wie Jugendliche in einem repressiven Umfeld mit Sexualität experimentieren, von der sie keine Ahnung haben. Letztlich ist es ein Plädoyer dafür Jugendliche als solche und nicht als Kinder wahrzunehmen und sie aufzuklären, bevor sie sich aus Unwissenheit selbst schaden. Beachtlich, dass so etwas bereits 1890 verfasst wurde.

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