
In dieser Dreigroschenoper-Inszenierung sind alle Schauspieler weiß überschminkt, sie wirken dadurch etwas puppenhaft, auf jeden Fall aber verfremdet. Denn Gefühlsregungen sind entweder gar nicht oder aber in übertriebenem Ausmaß zu erkennen. Damit nimmt natürlich die Bedeutung der Körperbewegungen der Schauspieler zu. Es ist angesichts der Mimik nicht verwunderlich, dass auch die Bewegungen ins übertriebene gesteigert sind. Vom hoppelnden Verbrecher bis zur tippelnden Polly sorgen die Bewegungen meist für ein Schmunzeln. Mit der präsentierten Entfremdung dürfte die Inszenierung aber einige Elemente von Brechts - später entwickelter - Theorie des epischen Theaters umsetzen.
Trotz der Verfremdung sind alle Schauspieler "normal" gekleidet. Wie es sich für das victorianische London wohl gehörte treten die Herren im Anzug auf, die Frauen entweder im Hosenanzug oder aber in Kleidern. Farbe gibt es dabei keine. Nur Maceath fällt aus diesem Schema. Seine Kleidung, zumindest aber seine Unterwäsche, ähnelt eher Damenbekleidung. Er macht einen äußerst androgynen Eindruck.
Die Hauptsache des Stückes, die kritischen, lustigen und bewegenden Lieder, wirken exellent. Das Orchester setzt die Lieder gekonnt um und die Schauspieler singen weitestgehend sehr gut, schaffen häufig auch die hohen Tonlagen. Dabei werden für die Zwischenszenen beim Bühnenumbau immer wieder die Grundthemen einzelner Stücke genommen und ohne Gesang ausgebaut. So kommt der Zuschauer nicht nur während des "Kanonensong" in den Genuss des Liedthemas sondern auch in einer Zwischenszene, in der der Polizeipräsident Brown über die Bühne wandert.
Die Finale der Akte sind sehr gute herausgearbeitet. Sowohl die Ballade über die Unsicherheit menschlicher Verhältnisse als auch die Ballade über die Frage, wovon lebt der Mensch wirken eindrucksvoll und bleiben im Gedächtnis hängen. Das weniger prägnante, weil unrealistische Endfinale wirkt vor allem wegen des dann zur Schau gestellten Prunkes.
Die Bühne ist nie leer. Auch wurde von einem einheitlichen Aufbau abgesehen. Stattdessen wird eine Mischung aus Symbolik und Requisite angewandt. Der Galgen im Finale ist als solcher deutlich zu erkennen. Auch die Arrestzelle hat dicke Gefängnisstäbe. Hier beginnt aber bereits der Übergang zur Symbolik. Denn dieses Stabmotiv wird in kleinerem Maßstab an anderer Stelle verwendet. Bei dem Bettlerkönig Peachum werden kleine Gitterelemente, die mal leuchten und mal nicht angewandt. Ein deutliches Symbol dafür, dass die Peachums nicht in der Lage sind, über ihren Pragmatismus hinaus zu denken.
Die Inszenierung kann den Zuschauer mit den grandiosen Liedern begeistern. Auch sonst ist ist sie inhaltlich nahe am Original. Zusätzlich sorgen die Entfremdungseffekte mal für Nachdenken über die gewählten Gesten mal aber auch einfach für Lacher. "Die Dreigroschenoper" am Theater am Schiffbauerdamm sorgt für einen unterhaltsamen Abend, bei dem aber auch die von Brecht gewollte Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen nicht zu kurz kommt.
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"Beautiful" beginnt mit leichten Klavierklängen, die den Gesang in der ersten Strophe und im Refrain betonen. In der zweiten Strophe treten Bässe dazu, die sich zum Refrain hin steigern. Die ganze Zeit über erklingen sehr dezente Streicher im Hintergrund, die nach dem zweiten Refrain in den Vordergrund treten, die dritte Wiederholung des Refrains über weiter gespielt werden und am Ende während der mehrfachen Wiederholung der Zeile make it beautiful now sehr laut erklingen.
Das Lied besteht aus zwei Strophen. In der ersten Strophe wird die verlorene und orientierungslose Situation thematisiert. Viel zu lange war ich fort, find nicht mehr nach Haus, fasst die Botschaft am Ende der Strophe zusammen. Die zweite Strophe wiederholt betont die Einsamkeit der vorherigen Situation (große Sehnsucht, große Stadt), bringt aber zusätzlich noch eine gescheiterte Beziehung in die Handlung, Traum von Liebe ist geplatzt. Dem schließt aber gleich danach die erwünschte und erhoffte Rettung an: Herz verloren, unbewacht, bringst Du mich nach Haus. Bereits im Liedtext ist also darauf hingewiesen, dass es eine andere Person braucht, um die Situation zu durchbrechen.
An dieser Person wird im Refrain appelliert. Bei ihr wird nach Bestätigung für Sicherheit (Sag, dass Du heut bei mir bleibst), Hilfe (meine Wunden wieder heilst), Zuversicht (Küss die Angst aus meinem Gesicht, leuchte heute nur für mich) gesucht. Vor allem aber sollen die Einsamkeit und die Orientierungslosigkeit durchbrochen werden (Lass mich nicht mehr alleine hier, bring mich nach Haus). Das sind sehr hohe Erwartungen. Es ist aber in einer traurigen und etwas verzweifelten Situation die größte Hoffnung: Dass es jemanden gibt oder geben wird, der einen von der Lage ablenkt und neue Zuversicht gibt. Dann fällt es schnell leicht, diese großen Erwartungen zu erfüllen.
Ein Zwischenspiel vor der dritten Wiederholung des Refrains ist eine Erklärung des Ziels (bring mich nach Haus). Es ist eine kleine Ode an die Sicherheit und das Wohlbefinden, dass eine lokale oder aber nur geistige Heimat bietet. Dort läuft die Zeit anders als in der Fremde (Wo die Zeit nicht so schnell rennt), dort tritt man selbstsicherer und wahrhaftiger auf (Wo ich sein kann, was ich bin, Wo die Angst mich nicht regiert) und zuletzt erfühlt man dort Sicherheit und Orientierung (Wo ich mich nicht mehr verlier). Das Zwischenspiel macht aber auch sehr deutlich, dass dieser Zustand an dem derzeitigen Ort in der derzeitigen Lage nicht erreicht werden kann: Bring mich weg, bring mich fort von hier.
An die dritte Refrain-Wiederholung schließt sich dann, gesungen von einem australischen Sänger, die titelgebende Zeile an: Make it beautiful now. Das ist eine unglaublich übertriebene Erwartung. Schließlich kann nicht eine einzelne Person alle Probleme, alle Schwierigkeiten, die man mit sich herum schleppt wieder richten und "schön" machen. Das ist aber auch nicht die Aussage des Liedes.
Stattdessen vermittelt es tatsächlich mit den Strophen und der Melodie den Eindruck einer traurigen, melancholischen Situation. Es macht aber deutlich, dass es daraus einen Ausweg gibt. Das ist der "leidenden" Person durchaus bewusst. Die externe, angesprochene Person macht also keineswegs alles wieder "schön". Stattdessen wird sie dafür benötigt, den Ausweg, der aus eigener Kraft nicht erkennbar ist, aufzuzeigen. Das geht vor allem durch die im Refrain erbetene Nähe.
"Beautiful" ist auf diese Weise tatsächlich ein sehr schönes Lied. Es wird nicht nur von einer angenehmen Melodie getragen, sondern bringt den Hörer von einer melancholischen in eine äußerst zuversichtliche Stimmung. Gerade die Streicher zum Schluss erwecken tatsächlich den Eindruck einer sich aufklärenden Lage, die durch jedes "beautiful" ein Stück besser ist. Gleichzeitig bedient das Lied die in einer traurigen, einsamen Situation immer angelegte Sehnsucht nach einer helfenden Person.
Das Album "Wir sind am Leben" wird, nach vielen Liedern, die die eigene Lebensführung hinterfragen sollen, mit einem zuletzt sehr zuversichtlichen Lied abgerundet. Gleichzeitig ist "Beautiful" auch das stärkste und beste Lied des Albums.
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Die komplette Übersicht ist auf Trekzone zu finden:
"Star Trek"-Romane im Juli
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Für seinen ersten großen Roman hat sich Theodor Fontane eine dramatische Kulisse ausgesucht. Preußen ist zwar formal noch selbständig, wird militärisch aber von Frankreich dominierst. Der Leser weiß, dass sich das kurz nach dem gescheiterten Russland-Feldzug Napoleons ändern wird. Der Titel „Vor dem Sturm“ ist aber wörtlich zu nehmen. Berndt Vitzewitz, dem die französische Vorherrschaft seit langem ein Dorn im Auge ist, bemüht sich vor allen anderen darum, einen Landsturm aufzustellen. So schlagen die Dörfer um Vitzewitz bereits zu, als sich alle anderen preußischen Gegenden noch ruhig und loyal präsentieren. Der ganzen Bewegung ist ein Erfolg beschieden. Da Vitzewitz so früh los schlägt, ist der Erfolg von dessen erstem Angriffsplan nicht abzusehbar. Das ist das einzige spannungsbringende Element des Romans.
Denn Theodor Fontan schrieb bekanntlich nicht der Spannung wegen. Die Handlung könnte in wenigen Sätzen zusammengefasst werden. Die dtv-Ausgabe besteht aus etwa 700 Seiten Text mit zusätzlichen 200 Seiten Anmerkungen. Erst nach 600 Seiten hat sich der Landsturm formiert und es kommt zum Überfall auf eine französische Garnison. Bis dahin wird in endlosen Runden über die politische Situation und vor allem über aktuellen Klatsch und Tratsch diskutiert.
Das ist einmal mehr überraschend fesselnd. Fontane charakterisiert eine Vielzahl von Personen, häufig seitenlang. Außerdem beschreibt er den historischen Hintergrund vieler Orte, Dörfer und Schlösser. Auch hierfür gestattet er sich meist ein ganzes Kapitel. Dadurch erschafft er eine sehr lebendige märkische Landschaft in dem Roman, zu der die behäbige Erzählweise wirklich zu passen scheint.
Es ist daher das Beeindruckendste an dem Roman, dass man das Gefühl hat, die Denk- und Handlungsweise einer vor 200 Jahren lebenden Gesellschaft spüren zu können. Natürlich konzentriert sich Fontane dabei auf die Adligen, doch auch Pastoren, Schulzen und Bauern finden in einigen Kapiteln Beachtung. Obwohl viele Charaktere für die eigentliche Handlung nur Nebenrollen sind, wird ihr Hintergrund in etwa so umfangreich ausgebreitet, wie der der Hauptpersonen. Dadurch entsteht ein abgerundetes Bild des gesellschaftlichen Aufbaus zu der Zeit.
Die Liebe spielt selbstverständlich ebenfalls eine Rolle in dem Roman. Hier zeichnet sich bereits ab, dass die „alten“ Werte nicht mehr aufrecht erhalten werden können. Denn während Berndt Vitzewitz mit einem polnischen Adligen bereits Heiratspläne für die gemeinsamen Kinder schmieden, entwickelt sich im Lauf des Romans in dieser Hinsicht alles überraschend anders.
Häufig erschafft Fontane bei seinen Schilderungen eindrucksvolle Bilder. Wenn Lewin nachts durch die Straßen seiner Universitätsstadt wandert, von unerfüllter Liebe getrieben und ihm kommt die geschlagene französische Armee entgegen, die sich durch die eisige Kälte Russlands nach Preußen vorgearbeitet hat, ist das ein starkes Bild, das durch die Sprachgewalt Fontanes sehr berührend ist. Vor allem wenn man bedenkt, dass Lewins Vater bereits daran arbeitet, die leidenden Überlebenden zu vernichten. Diese Doppeldeutigkeit, die sich zu dem sonst zur Schau getragenen Patriotismus gesellt, tut dem Roman gut.
„Vor dem Sturm“ ist ein langer, behäbiger und anstrengender Roman, der nur wenig Handlung bietet. Dafür erlebt der Leser eine eindringliche, wortgewaltige Schilderung der märkischen Adels- und Bauernwelt kurz vor den Befreiungskriegen, mit teilweise beeindruckenden Bildern.
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Die komplette Rezension findet man auf SF-Radio:
Sternenfaust Band 193 - Der stählerne Stern (von Guido Seifert)
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Will McAcoy ist der Leiter und Sprecher der Nachrichtensendung News Night. Seine Sendung erreicht gute Quoten, vor allem weil Will sich mit seiner Meinung zurückhält und es allen recht macht. Bei einer Podiumsdiskussion mit Studenten sieht er eine Ex-Freundin, die ihm Botschaften hochhält. In der für ihn ermüdenden Diskussion, in der neben ihm eine Demokratin und ein Republikaner teilnehmen und heftig streiten, bringt ihn das zu einem kleinen Wutausbruch. Auf die Frage einer Studentin, warum Amerika das beste Land der Welt ist (was die anderen Diskussionsteilnehmer mit Phrasen beantworten), erklärt er ihr, warum Amerika das nicht ist.
Das bringt für seine Sendung natürlich einige Probleme mit sich. Es stellt sich zudem heraus, dass Will ein schlechter Arbeitgeber ist und seine Mitarbeiter stiefmütterlich behandelt. Ein Großteil wechselt daher bei der nächstbesten Möglichkeit zu anderen Sitzungen.
Der einstündige Pilotfilm kommt in Fahrt als MacKenzie McHale - wie sich später herausstellt, die Ex-Freundin aus dem Publikum - als neue Redaktionsleiterin von der Firmenleitung eingestellt wird. Will ist darüber nicht begeistert, versucht das sogar zu verhindern. MacKenzie erhält aber die Chance, ihren Plan einer wirklichen, seriösen und doch akzentsetzenden Nachrichtensendung in die Tat umzusetzen. Sie erhält die Chance als einer ihrer Mitarbeiter, gegen den Widerstand von Wills bisherigen Redakteuren, erkennt, dass die DeepWater Katastrophe im Golf von Mexiko tatsächlich eine Katastrophe ist und das Material für eine einstündige Nachrichtensendung bietet.
Binnen kürzester Zeit gelingt dem Team eine wegweisende Sendung, die die Debatte über die Katastrophe überhaupt erst startet.
Mitten in die aufgeheizte Stimmung in Amerika platzt die Serie "THe Newsroom" von "West Wing"-Erfinder Aaron Sorkin. Der Hauptcharakter, Will McAcoy, hat eine starke Abneigung gegen das ideologische Phrasendreschen der Anhänger der beiden großen Parteien Amerikas. An diesen Diskussionen kann er sich seines Rufes wegen nicht beteiligen und er will es auch nicht da sie ihm, wie die Startsequenz zeigt, schlicht zu verblendet sind.
Er ist jedoch kein reiner Sympathieträger. Seine Angestellten und Mitarbeiter beachtet er kaum. Zu Beginn fällt ihm nicht einmal auf, dass seine Redaktion leer ist, weil beinahe sein komplettes Team zu einer anderen Nachrichtensendung der Firma gewechselt ist. Außerdem ist er, zumindest in dieser Episode, kein Idealist.
Als MacKenzy ihm nämlich ihre Pläne für eine seriöse Nachrichtensendung, wie es sie in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr erfolgreich gibt, präsentiert, verweist er sie auf viele Studien, die zeigen, dass so ein Konzept gar nicht erfolgreich sein kann. Entweder seichte, anbiedernde Unterhaltung ist gefragt, oder aber eine stark tendenziöse Berichterstattung. Da er letzteres nicht leisten wolle, müsse er sich auf ersteres konzentrieren.
Trotz dieser Pessimismus und der unsympathischen Ader beweist er den richtigen "Riecher" als er MacKenzies Produzenten anhört und seinen Vorschlag die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko als Sonderthema zu nehmen.Die Hauptperson ist also mit einer unsympathischen Seite ausgestattet, gleichzeitig aber talentiert und von der polarisierten Stimmung sichtlich genervt. Gleichzeitig ist Will noch immer sehr beliebt und aufgrund seiner bisherigen Arbeitsweise wird er als sehr seriös empfunden. Mit einer seriösen, aber kontroversen Sendung könnte er theoretisch also Erfolg haben.
Der Ansatz der Sendung ist dabei zu loben. In Zeiten, in denen - nicht nur in Amerika - seriöse Berichterstattung schlicht nicht mehr erfolgreich ist, sondern tendenziöse, eindeutig ideologisch gefärbte Nachrichten am ehesten noch Erfolg haben, ist ein Plädoyer für "guten" Journalismus in Form einer Serie ein mutiges Unterfangen. Denn warum sollte das Plädoyer für ein zur Zeit unerfolgreiches Nachrichtenkonzept erfolgreicher sein als das ungefragte Original?
Mutig sind auch die langen Dialoge über ein recht begrenztes Thema. Nach dem durchaus unterhaltsamen Einstieg, dreht sich die erste halbe Stunde alles um Wills Sendung und die Übernahme durch MacKenzie als Executive Producer. Die zweite Hälfte der Folge ist dann das Bestreiten der Sendung selbst. Das ist wenig Handlung mit vielen Dialogen. Diese Dialoge sind aber bei weitem nicht so spritzig wie sie noch in Sorkins erster Serie "The West Wing" waren.Das ist gefährlich, denn die sprachliche Gewandheit, die vielen Witze und der Sarkasmus, der oft nah am Zynismus war, machte "The West Wing" trotz des Anspruchs und der Dialoglastigkeit zu einer erfolgreichen Serie. Nur mit Anspruch und Dialoglastigkeit ist schwer vorzustellen, dass die Serie ein breites Publikum erreicht.
Dieses Ziel wird auch dadurch erschwert, dass wenig Spannung in der Episode aufkommt. Die große Frage ist für den Zuschauer nämlich, ob die Sendung gelingt. Dabei könnte die Kernfrage lauten, ob das Thema richtig gesetzt ist. Da ein reales Ereignis, das zwei Jahre zurückliegt, gewählt wurde, weiß der Zuschauer, dass das Team auf die richtige Seite gesetzt hat. Ein fiktives Ereignis hätte zwar erst einmal genauer beschrieben werden müssen, hätte aber auch die Spannung vergrößert.
Daher bleibt abzuwarten, ob sich auch die folgenden Episoden an realen Ereignissen orientieren werden. Die Serie kann von dieser Folge zur nächsten schwerlich einen Zeitsprung von zwei Jahren machen. Es ist somit zu erwarten, dass die Sendung zumindest erst einmal im Jahr 2010 weitermachen wird. Weitere reale Ereignisse aus der Zeit sind also nicht ausgeschlossen.
"We Just Decided To" ist ein Pilotfilm, der gut in das Setting der Serie einführt. Es geht um eine Nachrichtensendung, mit einem erfolgreichen aber desillusionierten Moderator. Sie wird von einer Frau übernommen, die sehr idealistisch ist, als Kriegsreporterin viel erlebt hat und das Profil der Sendung radikal verändern will. Die Beziehung zwischen Moderator und Executive Producer bietet noch einiges Potential. Auch die bereits eingeführten Redakteure deuten interessante Charakterstränge an.
Die Sendung zeigt dabei in der Grundhandlung von großer Sehnsucht nach dem "guten", dem "seriösen" und doch "kontroversen" Journalismus. Lebte "The West Wing" während der Bush-Jahre vor wie amerikanische Politik auch aussehen könnte, bietet "The Newsroom" die Chance eine fiktiven Alternative zu dem immer populistischeren und gleichzeitig doch unerfolgreicheren US-Journalismus zu zeigen. Der dabei gelegentlich etwas kitschig wirkende Idealismus, der dabei zutage tritt, ist zumindest in der ersten Episode zu ertragen.
Insofern ist es "The Newsroom" der Erfolg sehr zu wünschen. Es könnte, gerade jetzt im Wahlkampf, nicht schaden, wenn in den Staaten ein erfolgreiches Serienplädoyer für weltanschaulich neutralen aber doch kontroversen Journalismus läuft. Und es würde vielen anderen Ländern, unter anderem auch Deutschland, nicht schaden, wenn dieses Plädoyer auch dort erfolgreich wäre. Die erste Folge mag zwar nicht spannend sein, aber sie unterhält durch kluge, lange, aber nicht langweilige, Dialoge und die Einblicke in die Herstellung einer Nachrichtensendung. Nach dem Sehen freut man sich nicht nur auf die nächste Episode, sondern verspürt Sehnsucht und das Bedürfnis nach guten Journalismus.
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Colin Crouch befasst sich in seinem Buch, was er in Anspielung auf sein bekanntestes Werk mit „Postdemokratie II“ untertitelt, mit der Frage, warum der Neoliberalismus nicht im Rahmen der Finanzkrise 2008 untergegangen ist. Das Fazit ist ernüchternd und wird bereits in der Einleitung benannt: Weil es zur Zeit keine vernünftige, umsetzbare Alternative gibt.
Crouch verwendet den Großteil des Buches darauf, seine Sicht der Entstehungsgeschichte des Neoliberalismus zu schildern. Dabei holt er weit aus, fasst den historischen Konsens der Wirtschaft und der Arbeiterklasse im Zeitalter des Keynsianismus zusammen und beschreibt, wie dieser aufgrund der schwächer werdenden Arbeiterklasse ersetzt werden konnte. Dabei verschweigt Crouch auch kritische Aspekte am Keynsianismus nicht und arbeitet sogar positive Elemente der neoliberalen Theorie heraus.
Seine Grundthese ist jedoch, dass der Neoliberalismus nur wenig mit Liberalismus zu tun hat, da der Konflikt zwischen Markt und Staat lediglich vorgeschoben sei. Während neoliberale Theoretiker immer wieder betonen, sie würden den freien Markt fördern, unterstützen sie in Wirklichkeit lediglich große Konzerne, die den freien Markt und regulierenden Wettbewerb verhindern. Viele Maßnahmen, vor allem Privatisierungen, unterstützten einseitig große Konzerne. Diese gelangten dadurch in Schlüsselpositionen, in denen sie nicht mehr vom Markt verschwinden können, ohne dass dieser zusammenbrechen würde. Das wurde von Neoliberalen willig in Kauf genommen, obwohl es der eigenen Theorie entgegenlief. Da es aber wichtiger erschien, den Staat schnell zu entmachten, schien es legitim.
Um diese These herum, geht Crouch in Kapiteln auf das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat, auf die Finanzierung neoliberaler Politik durch privaten Keynsianismus, also die Verschuldung der privaten Haushalte und zuletzt auf die Strategie großer Konzerne sich mittels „Corporate Social Responsibility“-Strategien auch als politische Akteure zu betätigen, ein.
Nach diesen interessanten Erläuterungen beginnt Crouch mit seinen Ratschlägen.Sein Buch, das stellt er von Anfang an fest, richtet sich an diejenigen, die das System pragmatisch verändern wollen. Crouch ist kein Revolutionsromantiker. Das wird vor allem in den Abschnitten deutlich, in dem er (wahre) sozialdemokratische Politik und den keynsianischen Kompromiss beschreibt. Dabei führt er nämlich immer an, dass diese Politik daran zugrunde ging, dass die sie tragende Klasse zerbröckelte. Eine Wende kann also nur gelingen, wenn sie von einer deutlichen gesellschaftlichen Mehrheit getragen wird, die zur Zeit nicht absehbar beziehungsweise organisierbar ist.
Sein Fazit weist in erster Linie darauf hin, wie im neoliberalen System kleine Veränderungen möglich sind. Dabei stimmt positiv, dass Neoliberale in keinem westlichen Land ganz erfolgreich waren und es noch immer Gesellschaftsbereiche gibt, die wirtschaftlichen Einflüssen relativ entzogen sind. Während es in Amerika die Post ist, in Großbritannien (bis jetzt) der öffentliche Gesundheitssektor, ist es hierzulande das staatliche Bildungswesen. Verhindert wurde der Siegeszug dabei dadurch, dass die jeweiligen Sektoren der Bevölkerung zu wichtig waren und/oder sich zivilgesellschaftliche Gruppen für ihren Erhalt ausgesprochen haben. Crouch plädiert dafür, das Dreigespann Staat-Markt-Konzerne durch eine vierte Kraft zu ersetzen. Denn er arbeitet ebenfalls heraus, dass der Staat allein, wie viele Linke fordern, nicht die Lösung sein kann. Als viertes müsste ein aktive, selbstbewusste Zivilgesellschaft, zu der er neben Bürgerinitiativen auch Vereine, Kirchen, Parteien, Berufsverbände und ehrenamtlich aktive Bürger zählt, die Auswüchse der ersten drei Akteure kontrollieren. Das erscheint schwierig, in vielen Fällen unwahrscheinlich. Doch es motiviert angesichts eines ungerechten, in vielen Punkten derzeit aber nicht zu ändernden Systems dazu, wachsam, nachdenklich und aktiv zu bleiben.
Das Buch ist - noch - günstig über die Bundeszentrale für politische Bildung zu beziehen.
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Das Stück beginnt mit der Rückkehr Hugos zu der Partei. In diesem ersten Auftritt wird der Fortgang der Geschichte bereits zusammengefasst. Dem Zuschauer ist somit klar, was geschehen wird. Lediglich das Mordmotiv bleibt etwas im Unklaren. Hugo sagt im Nachhinein, er hoffe, er habe den Mord aus politischen Gründen begangen. Wirklichen Aufschluss gibt auch der Hauptteil, die Rückblende nicht.
Die Inszenierung wartet mit einem beeindruckenden Bühnenbild auf. Auf der Bühne befinden sich mindestens vier Kreuze, die starke Steinwände darstellen. Sie sind all um sich selbst drehbar und gleichzeitg kann die ganze Anlage gedreht werden. Das sorgt für viel Bewegung im Szenenübergang. Wie bereits bei der Puntila-Inzenierung wird während der Übergänge viel mit Musik gearbeitet. Teilweise wird sie auch während der Szenen zur Dramatikunterstützung eingesetzt. Auch ander mediale Effekte, wie zum Beispiel Videokameras, die die Schauspieler auf die Wände projizieren, werden häufig eingesetzt. Das sorgt für einen stimmungsvollen Gesamteindruck. Außerdem entstehen dabei viele Highlights, wie zum Beispiel einen Übergang, in dem viele "-ismen" (von Dogmatismus über Terrorismus bis zum "Finale" dem Humanismus) unter lauter Musik auf der Bühne erscheinen.
Mit Hugo erlebt der Zuschauer jemanden, der sich unbedingt für seine Ideologie nützlich machen möchte. Zumindest redet er es sich ein, denn gleichzeitig verklärt er den Tod, sucht ihn gelegentlich sogar. Dazu kommt aber eine unpolitische Komponente, die Beziehung zu seiner Frau Jessica. Das Paar kann nicht offen miteinander reden, ein Großteil der Beziehung besteht aus inszenierten Streiten. Gleichzeitig nehmen sich die beiden in den seltensten Fällen gegenseitig Ernst. Das Ehepaar sorgt so für einige lustige Szenen, insgesamt wirkt die Beziehung aber äußerst angestrengt. Die ständigen Rituale und Inszenierungen bilden häufig die Überleitung zu Gedanken darüber, was real sei und was nur gespielt.
Hoederer ist das Musterbeispiel für einen pragmatischen Machtpolitiker. Er analysiert die Situation und versucht anhand seiner Ergebnisse das Beste für sich, seine Partei und die Arbeiter (und zwar in der Reihenfolge) herauszuholen. Das widerspricht natürlich Hugos Idealismus. Nichtsdestotrotz scheint Hugo Hoederer zu bewundern, zumindest aber ist er nicht in der Lage diesen einfach umzurbingen. Nach Hoederers Konferenz mit den Liberalen und Faschisten, die Hugo durch sein Attentat eigentlich verhindern sollte, kommt es zu einem wilden Wortgefecht zwischen den Beiden. Hoederer gelingt es dabei nicht, Hugo von seiner Sicht zu überzeugen. Dabei stellt sich aber heraus, dass Hugo wenig Mitleid für die hunderttausenden Bürger hat, die im Krieg, in der Revolution und in der Nachfolgenden Errichtung einer Diktatur stebern würden. Wenn es das zum Erreichen der Ideale benötigt, müsse es eben so sein. Auf diese Weise wirkt der Pragmatiker Hoederer weniger berechnend und kalt, da er im Gegensatz zu dem flammenden Intellektuellen Hugo offensichtlich das Leben zu schätzen weiß.
Der Umschwung Hugos kommt in dieser Inszenierung äußerst plötzlich. Hoederer bietet Hugo die Chance, ihn zu töten, nachdem er herausgefunden hat, dass dies Hugos Auftrag ist. Hugo nutzt sie nicht. Als Hoederer von Jessica, die sich in dem Unterschlupf ganz offensichtlich langweilt, verführt wird, platzt Hugo ins Zimmer und massakriert Hoederer. Diese Wendung wirkt aufgrund ihrer Plötzlichkeit etwas unbefriedigend.
Ebenfalls unbefriedigend wirkt das Handeln Jessicas. Sie entstammt offensichtlich bürgerlichen Schichten und nimmt weder Hugo noch die Partei ernst. Damit sorgt sie für viele lustige Momente in dem Stück. Warum sie Hugo gelegentlich unterstützt, letztendlich aber Hoegerer verführt, wird nicht deutlich. Ihr Handeln ist willkürlich und launenhaft. Die Aussage dahinter bleibt schleierhaft.
Interessanter ist da eher die Rolle der Parteigenossin Olga. Sie unterstützte Hugo dabei, einen Auftrag zu erhalten. Währenddessen warnt sie ihn davor, dass die Partei unruhig wird, da er das Attentat nicht sofort verübt. Sie hängt offensichtlich an Hugo und versucht immer wieder ihn zu schützen. Aber sie vertritt treu die Parteilinie. Anders als Hugo, der in der Partei eine idealistische Organisation ohne Lüge sieht, folgt sie dem was vorgegeben ist. Damit ist sie unfähig, Hugo am Ende des Stückes eine Perspektive zu geben. Sie ist in dem Stück aus Hugos Sicht die einzige Person, die ihm "vertraut". Da sie zum Schluss in seinen Augen ebenfalls lügt und täuscht, verliert er alle Hoffnung und bringt sich um.
Die Inszenierung des Stückes ist sowohl bewegend als auch an einigen Momenten unterhaltsam-komisch. Das Stück bringt den perspektivlosen Bürger auf die Bühne, der sich dank seines Weltschmerzes einer revolutionären Ideologie bemächtigt und sie scheinbar idealistisch nach außen trägt. In Wirklichkeit verachtet er aber nur sich und sein Leben, die Perspektive, die er in der Partei zu finden meint, ist nur Trug. Seine Radikalität macht ihn zum Werkzeug, einen Pragmatiker umzubringen. Wirklich gelingen kann das aber erst, als dieser sich des einzigen bemächtigt, was er aus seinem alten Leben lieb gewonnen hat. Im Gefängnis beruhigt er sich mit seinen Idealen, nur um bei seiner Rückkehr endgültig seine Illusionen über die Partei zu verlieren. Das Stück ist somit ein Appell daran, bei allen Zielen, die man hat, nicht ideologisch zu werden und übermäßig idealisierte Institutionen regelmäßig kritisch zu hinterfragen.
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"Touristen" ist ein sehr düsterer Tatort. Dabei gibt es keine grausamen Fall, doch die Rahmenbedingungen stimmen bis zum Ende nicht. Andreas leidet schwer unter dem Selbstmord seiner Kollegin. Leider ist dieser etwas unverständlich. Der vergangene Tatort aus Berlin hat darauf nicht hingewiesen. Der Selbstmord kommt daher überraschend, bis zum Schluss wirkt er nicht glaubwürdig. Dieser Radiotatort leidet darunter, denn auch Andreas Trauer überzeugt dadurch nicht. Das Unverständnis des Zuhörers ist ein anderes als der Unglauben von Andreas. Schade.
Der Fall selbst ist klug konstruiert. Der Boulevardjournalist führt Andreas zu einem alten Ehepaar. Die Frau ist die Tochter eines ehemaligen KZ-Kommandanten. Ihr Mann aber ist jüdischer Herkunft, der seine komplette Familie in den Lagern der Nazis verloren hat. Daher hat sie ihm in 53 Ehejahren nicht verraten, wer ihr Vater wirklich war. Sie wird von einem amerikanischen Ermittler, der eigentlich alte Nazi-Kriegsverbrecher jagen soll, erpresst. Dieser Ermittler ist das Mordopfer. Hieraus entsteht zwar keine Spannung, aber der Hörer hat Mitgefühl mit der alten Frau.
Letztlich ist sie nicht die Täterin. Doch Andreas kann die Ermittlung nicht ganz zu Ende bringen. Er hat dem Boulevardjournalisten nämlich nicht die Daten geliefert, die dieser gerne gehabt hätte. Daher zettelt der Journalist eine Intrige an, durch die Andreas sich in einem Bürojob wiederfindet. Zwar hat sich Andreas nicht ganz richtig verhalten - er ignorierte Anweisungen, ermittelte rücksichtslos allein - doch die Strafversetzung ist ungerechtfertigt.
Dieser Handlungsstrang soll die Macht des (Boulevard)Journalismus verdeutlichen. Der Fall kann nur mit den Hinweisen des Journalisten aufgedeckt werden. Andreas ist also auf ihn angewiesen. Da er keine falschen Gerüchte in die Welt setzen will, belügt er den Journalisten. Der zahlt es ihm mit der Anzettlung einer Strafversetzung heim. Andreas hat somit alles in seiner Macht stehende getan, um den Fall aufzulösen. Doch bei dem Versuch an die Informationen zu gelangen und gleichzeitig sein Gewissen rein zu halten, hat er seine Stellung innerhalb der Polizei aufgegeben. Das ist eine interessante Handlung, mit einer überzeugend tragischen Komponente.
"Touristen" ist ein müder Tatort, der keinen wirklich spannenden Fall bietet. Der große Handlungsstrang um den Suizid Katharina Holz wirkt unglaubwürdig. Diese Geschichte hätte man lieber nicht erzählt. Die einzig gelungene Komponente des Falls ist die Handlung um den Einfluss des Journalismus auf die Polizeiarbeit. Das Potential dieser Erzählebene wird jedoch bei weitem nicht ausgereizt, sie reicht nicht für einen guten Tatort.
Der Radiotatort ist noch bis zum 16. Juli auf der Homepage der Reihe herunterladbar.
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An vielen Stellen wirkt das Buch bemüht komisch. Die Teilnehmer der Wallfahrt werden größtenteils ins Lächerliche gezogen und wirken wie Karikaturen. Zu keinem Zeitpunkt wird versucht, die Teilnehmer differenziert zu beschreiben. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass bei solchen Wallfahrten ausschließlich Schablonen teilnehmen. Ein Telefonat am Ende des Buches deutet aber auf das Gegenteil hin.
Der zweite Teil ist abgedreht. Zumindest Glavinic beschreibt sich da bereits als gesundheitlich angeschlagen und nimmt Medikamente. Dadurch vernebeln sich seine Sinne. Dennoch wird sehr deutlich, dass er und sein Freund bei einem Drogendealer untergekommen sind, der rasch beleidigt ist, wenn man seine Gastfreundschaft in Frage stellt. Dieser Teil wirkt nicht mehrrealistisch. Hier ist schwierig, dass nicht ganz klar ist, ob es sich nun um Fiktion handelt oder um einen Tatsachenbericht.
Auf jeden Fall gerät die Situation hier außer Kontrolle. Die zwei Reisenden wollen schnell weg, pumpen sich aber mit Alkohol und Tabletten so voll, dass sie kaum mitbekommen, was um sie vorgeht. Dass Glavinic dem ständig Ausschnitte aus religiösen Broschüren gegenüberstellt, macht das Ganze nicht erträglicher.
„Unterwegs im Namen des Herren“ bietet somit zum Start eine klischeehafte Beschreibung einer Wallfahrt und endet in einem mittelschweren Alkohol-, Medikamenten- und Drogenexzess. Das muss man nicht gelesen haben.
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Stattdessen wird dem Leser die Hälfte des Romans eine Zeitbestimmung präsentiert, deren Antwort er längst kennt. In der zweiten Hälfte versucht Rhodan dann die Geschichte zu verändern und scheitert kläglich. Dabei ist sein Plan unüberlegt und entbehrt jedem Sinn. Aber Rhodan hatte in "Perry Rhodan Neo" bisher eh nur wenig gescheite Einfälle.
Die komplette Rezension zu dem zwanzigsten Roman der Reihe findet man auf SF-Radio:
Perry Rhodan Neo Band 20 - Die schwimmende Stadt (von Hermann Ritter)
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Am auffälligsten an dem Stück ist die relativ ausführliche Beschreibung der Umgebung und der Lebensverhältnisse. Blanche macht immer wieder deutlich, dass sie den erlebten Lebensstil ablehnt und nicht führen könnte. Für sich wünscht sie sich etwas anderes. Aus ihren Augen erlebt der Leser, wie die beiden Frauen des Hauses (Stella und die Hauseigentümerin Eunice) regelmäßig von ihren Männern geschlagen werden. Anstatt dies als Grund für ein Beziehungsende anzusehen, kehren die Frauen immer wieder zu ihren Gatten zurück. Blanche empfindet das als schrecklich und kann das Verhalten nicht verstehen.
Der Leser ist damit hin- und hergerissen. Einerseits ist Blanches offen zur Schau gestellter Snobismus ekelhaft. Andererseits benennt sie richtig Probleme, vor denen die anderen Frauen die Augen verschließen, beziehungsweise, die diese aus Liebe ignorieren. Zudem scheint Blanche wenig für das Konzept eines alles dominierenden Mannes übrig zu haben. Genau das vertritt Stanley mit seiner übertrieben zur Schau gestellten Männlichkeit aber. Daher ist es kein Wunder, dass Blanche sich gerade zu dem nachdenklichsten, reflektiertesten Mann aus Stanleys Freundeskreis hingezogen fühlt.
Im Laufe des Stücks verliert der Leser aber seinen glauben an Blanche. In New Orleans scheint sie nur eine Fassade auszuleben, die bisher ihr Traum gewesen ist. Es kommen immer mehr Details ans Licht, die zeigen, dass Blanche bisher ein ganz anderes Leben führte. Damit verstößt sie Mitch, von dem sie sich eine Hochzeit und damit Stabilität erhofft hat. Anstatt ihre Lügen zuzugeben, flüchtet Blanche aber in stärker zur Schau gestellten Snobismus und weitere Traumwelten. So ist sie fest davon überzeugt, ein texanischer Millionär werde ihr schon helfen.
Stanley wird dadurch immer wütender und vergreift sich zuletzt gar an ihr. Bereits der Dramentext lässt die Dynamik und das Tempo erahnen, das das Stück gen Ende entfalten kann. Stanleys Entscheidung, Blanche in eine Nervenheilanstalt zu überweisen, wird von Stella mitgetragen. Es ist für sie die einzige Chance, in ihr altes Leben zurückzukehren. Denn mit Blanches Auftritt wurde auch sie skeptisch gegenüber Stanleys Verhalten, zeigte auch sie arrogante Züge. Insofern kann das Paar nun - übrigens mit Kind - zur alten, teilweise durchaus kritischen Normalität zurückkehren.
Neben dieser oberflächlichen Geschichte stecken weitere bedeutende Themen in der Handlung. Der alleinstehende Mitch muss sich um seine kranke Mutter kümmern. Beispielhaft zeigt das Stück wie so ein Verhalten in "männlichen" Runden aufgefasst wird. Blanche wird immer wieder als latent Trunksüchtig dargestellt - was allerdings auf viele Charaktere des Stückes zutreffen könnte. Außerdem hat Blanche in ihrer Jugend große Schuld auf sich geladen, als sie bei ihrem ersten Ehemann homosexuelle Neigungen feststellte und ihm mitteilte sie fände das abstoßend. Damit trieb sie ihn in den Selbstmord. Viele ihrer Psychosen scheinen von diesem Fehler entstanden zu sein.
In "A Streetcar Named Desire" treffen sich ein schlichter Macho und eine lügende Snobistin auf engstem Raum. Das führt zu einer für den Leser angenehmen Dynamik und zur Katastrophe. Dass sich in diesem Konflikt zweier kritikwürdiger Menschen letztlich der Macho durchsetzen kann, ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass Blanche es sich mit allen Protagonisten verscherzt hat. Andererseits dürfte es leider in solchen Konflikten die Regel sein.
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