Neue Homepage: Ich habe eine neue Homepage, die man unter www.gedankenecke.com erreicht. Zur Zeit werden Stück für Stück die mittlerweile über 1 000 Beiträge dieses Blogs von mir rüberkopiert (bin bei Oktober 2008 angekommen) und die neuen Artikel seit "Homepagegründung" sind da ebenfalls zu finden. Der größte Vorteil, den die neue Seite bietet ist, dass endlich jeder kommentieren kann und man sich nicht mehr registrieren braucht.
Samstag, 25. August 2012
Borders Of Infinity (von Lois McMaster Bujold)
"Borders Of Infinity" ist eine Kurzgeschichte, die in Bujolds Barrayar-Universum spielt. Miles Vorkosigan wird dabei in ein "perfektes" Gefängnis der Cetagendaner eingewiesen. Alle interstellaren Vorschriften bezüglich Kriegsgefangener werden darin berücksichtigt. Es gibt genügend Freiraum, es wird für genügend Ernährung gesorgt und es wird keine Gewalt von Seiten der Gefängniswärter ausgeübt. Das bedeutet: Auf einem abgelegenen Mond gibt es eine riesige Kuppel, in der zehntausend Gefangene sich frei bewegen können. Zwei Mal am Tag werden Lebensmittel an zentralen Stellen verteilt, wer zu schwach ist, sich durchzusetzen, erhält somit keine Lebensmittelrationen. Miles, mit seinen Geburtsfehlern, zählt natürlich zu den Schwächeren, die in der Hackordnung dieser Gefängniswelt ganz unten stehen. Mit seiner Intelligenz gelingt es ihm jedoch, Anhänger um sich zu scharen und Ordnung ins Chaos zu bringen.

Mc Master Bujold gelingt es in der 60-seitigen Kurzgeschichte, in wenigen Sätzen eine faszinierende und gleichzeitig erschreckende Gefängniswelt zu skizzieren. Dabei gelingt es ihr einmal mehr Miles induktives Vermögen, Menschen von sich zu überzeugen, realistisch darzustellen. Per Zufall trifft Miles auf einen Wanderprediger in dem Gefängnis, dessen Prophezeiungen er sich zunutze macht, um Mithäftlinge von sich zu überzeugen. Tatsächlich gelingt es ihm in kürzester Zeit, eine Art staatliche Ordnung im Gefängnis herzustellen, sodass vor allem die Essensverteilung fair und geordnet abläuft.

Leider wird aus dieser Position die Geschichte nicht weitererzählt. Bis zum Schluss wird anerkannt, dass ein Ausbruch aus eigenen Möglichkeiten nicht machbar ist. Auch die psychologische Kriegsführung gegen die Cetagendaner, die von Miles kurzzeitig angedeutet wird, verfolg McMaster Bujold nicht weiter. Stattdessen greift sie auf ein äußeres Element zurück. Die Dondarii-Söldner, derren Admiral Miles ist, überfallen das Gefängnis. Ursprünglich sind sie nur gekommen, um Miles zu retten, doch der modelliert die Aktion kurzfristig in eine Rettung aller Gefangener um.

Dieser äußere Eingriff ist schade, da der Leser so keinen genialen Einfall Miles, wie die Cetagendaner ausgetrickst werden könnten, erleben kann. Stattdessen ist das Ende eine hektische Befreiungsaktion. Denn für die 10 000 zu befreienden Häftlinge stehen nur wenige Shuttles zur Verfügung, während die Cetagendaner immer mehr Schiffe in das System beordern. Je länger die Aktion also dauert, desto mehr Verluste gibt es. Das wirkt hauptsächlich eilig und ungeplant. Dabei kommt es zu vielen Verlusten, deren erschreckende Wirkung sich auf dem engen Raum der Kurzgeschichte kaum entfalten kann. Es bleibt leider auch kein Platz für Miles Verarbeitung der Verluste. Das ist schade, denn so ist das interessanteste Element an der Befreiungshandlung nicht genutzt worden.

"Borders Of Infinity" ist eine Kurzgeschichte, die in einem faszinierenden Zukunftsgefängnis spielt. Leider werden die großen Möglichkeiten der Geschichte nicht genutzt. Anstatt auf Selbstbefreiung stützt sich die Autorin auf eine rasante Befreiungsaktion von außen, deren Potential auf dem engen Raum der Kurzgeschichte nicht ausgenutzt werden kann.

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Dienstag, 21. Februar 2012
(Kurz)Gelesen: Der unmögliche Planet
Eine alte Frau wünscht sich vor ihrem Tod nichts sehnlicher, als die Erde noch einmal zu sehen. Das ist jedoch unmöglich. Denn schon vor vielen Jahren wurde die Erde als Legende eingestuft und Wissenschaftskommissionen haben herausgefunden, dass die Menschheit gleichzeitig auf vielen verschiedenen Planeten entstanden ist. Doch da die Frau viel zahlen kann, nimmt sie Captain Andrews mit. Zusammen mit seinem Mannschaftsmitglied Norton fliegen sie einen Planeten an, der die Erde sein könnte. Es ist der dritte Planet in einem 9-Planeten-System. Der Planet ist völlig leblos. Die alte Frau ist deutlich enttäuscht und stirbt dort. Norton ist ob des Betruges sehr erzürnt und verlässt die Mannschaft, verzichtet sogar auf seinen Anteil an dem großen Beförderungsgeld der alten Dame. Bevor Andrews den Planeten verlässt, findet er noch eine alte Münze - mit einem lateinischen Spruch.

Andrews ist ein skruppelloser Geschäftsmann, der nicht davor zurückschreckt, einer alten, sterbenden Frau gegen viel Geld alles zu versprechen. So belügt er sie und präsentiert ihr eine Erde, von der er nicht weiß, ob es wirklich die Erde ist. Ohne Gewissensbisse versichert er der Frau mehrfach, dass sie sich auf der Erde befindet. Erst als sie stirbt, regen sich auch in ihm Gefühle. Norton wiederum hat von vornherein Probleme mit seinem Gewissen, lässt sich jedoch von Andrews leicht in die Sache mit hineinziehen. Zumal man stellenweise das Gefühl hat, dass Nortons Gewissensbisse zunächst lediglich vorgeschoben sind. Er erwähnt nämlich auch, dass es rechtliche Probleme geben könnte, wenn man einem zahlenden Gast etwas verspricht, was man gar nicht leisten kann.

In wenigen Sätzen gelingt es Dick auch in dieser Kurzgeschichte wieder ein Universum zu erschaffen, das neugierig macht. Die Menschheit ist offensichtlich weit zu den Sternen gereist, sie denkt sogar, sie käme aus mehreren Sonnensystemen. Außerdem wird angedeutet, dass es sowohl eine strikte Wirtschaftsregulierung gibt als auch Kriege zwischen verschiedenen menchschlichen Fraktionen. Wie so oft, bleibt es jedoch bei den Andeutungen. Die Hinweise dienen lediglich dazu, der Kurzgeschichte ein Fundament zu geben.

Die Kurzgeschichte wird beinahe etwas witzig dadurch, dass Andrews die Erde tatsächlich gefunden hat. Zumindest deutet die Münze stark darauf hin. Letztendlich hat Andrews also genau das getan, wofür er bezahlt wurde. Nur scheint die Menschheit die Erde völlig zerstört zu haben. Dies wiederum ist ein bekanntes Motiv aus vielen von Dicks Kurzgeschichten.

"Der unmögliche Planet" spielt ein wenig mit der Vorstellung, dass die Menschheit ihre (zerstörte) Heimat vergessen hat. Das liest sich ganz nett, vor allem weil es offensichtlich genügend Menschen gibt, die ihre Gier nicht vergessen haben. Die Geschichte ist jedoch weniger unterhaltend und vielschichtig als vorherige Kurzgeschichten.

“Der unmögliche Planet", 13 Seiten, 1953, erschienen in der Zweitausendeins Anthologie “Variante Zwei”.

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Freitag, 16. Dezember 2011
(Kurz)Gelesen:Umstellungsteam (von Philip K. Dick)
Eine seltsame Unterhaltung: Ein Kanzleisekretär bittet einen Hund, zu bellen, damit ein Mann früher zur Arbeit erscheint. Der Hund verschläft diese Aufgabe, der Mann, Ed Fisher, kommt zu spät zur Arbeit. Dort erlebt er, wie sich alles in Staub auflöst. Nur mit Mühe und Not gelingt Fisher die Flucht. Als er Nachmittags zurückkehrt ist alles wieder da, nur Kleinigkeiten haben sich geändert. Fisher flüchtet und wird kurz darauf von den Kammersekretären entführt. Ihm wird enthüllt, dass regelmäßig Gegenden der Erde neu programmiert werden müssen, um gewisse Entwicklungen möglich zu machen. Damit Fisher nicht ebenfalls reprogrammiert wird, muss er schwören, über sein neu erworbenes Wissen zu schweigen.

In "Umstellungsteam" erfährt ein einzelner Mensch, dass die Welt, in der er lebt eine große Inszenierung ist. Wann immer es den wahren Machthabern im Hintergrund nicht passt, werden einzelne Sektoren umprogrammiert, sodass sich alles anders entwickeln kann. Dick schreibt hier also bereits im Jahr 1953 eine Kurzgeschichte, die enorm an die Handlung von Matrix erinnert.

Dabei lebt die Kurzgeschichte davon, dass man zunächst überhaupt nicht versteht, was eigentlich passiert. Wie soll ein Hund dafür sorgen können, dass jemand früher zur Arbeit kommt? Erst später versteht man, dass selbst Hunde mehr über die Realität wissen als die Menschen.

Die Kurzgeschichte hat also zwei Themen. Erstens ist die Welt lediglich von fremden Wesen programmiert. Zweitens sind die Menschen bei weitem nicht die Wesen mit dem meisten Wissen auf dem Planeten. Dieses frühe Hinterfragen vermeintlicher Selbstverständlichkeiten ist sehr beachtlich.

Interessant ist dabei, dass die Wesen im Hintergrund deutlich herere Ziele haben als die Menschen selbst. Denn während die Menschheit in den 50er Jahren in erster Linie in der Blockkonfrontation fest hing, arbeiten diese Wesen daran, Frieden zu erschaffen. Das heißt, die Menschheit ist nicht nur fremdbestimmt, sie ist auch noch von moralisch besseren Wesen geleitet.

"Umstellungsteam" ist eine frühe "Matrix"-Version, die zwar nicht so spannend, dafür deutlich nachdenklicher ist.

“Umstellungsteam", 32 Seiten, 1953, erschienen in der Zweitausendeins Anthologie “Variante Zwei”.

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Freitag, 2. Dezember 2011
(Kurz)Gelesen: Menschlich ist... (von Philip K. Dick)
Jill Herricks leidet, ihr Mann ist ein kalter und gefühlsloser Wissenschaftler. Die beiden leben in einer sehr rationalen Welt, in der die Regierung ab einem gewissen Alter die Erziehung der Kinder übernimmt und in der Gefühle lediglich eine sekundäre Rolle spielen. Jill hat fest vor, sich von ihrem Mann zu trennen als dieser zu einer Reise nach Rexov IV aufbricht. Doch Lexter Herricks ist bei seiner Rückkehr ganz verwandelt. Er zeigt Gefühle, kocht und kümmert sich um Jill. Ihr Bruder erkennt sofort, dass Lester von den Bewohnern Rexov IVs übernommen wurde. Die wissen über die Menschen lediglich das, was sie aus alten Romanen aufsaugen konnten. Deswegen verhalten sie sich etwas "antiquiert". Jill muss den Wandel ihres Mannes nur bestätigen, dann wird der Geist des Rexovers vernichtet und Lester kehrt zurück. Doch Lilith weigert sich im entscheidenden Moment, auszusagen, denn sie hat lieber einen gefühlvollen außerirdischen im Körper ihres Mannes als ihren Gatten.

Der Titel der Kurzgeschichte sagt bereits viel über den Inhalt aus. Die Menschheit hat sich "weiterentwickelt". Sie ist deutlich rationaler geworden, Gefühle spielen nur noch eine sekundäre Rolle. Daher hat der Leser das Gefühl, bei dem außerirdischen Geist handelt es sich eigentlich um einen Menschen. Zumindest sind in diesem Charakter ideale menschliche Eigenschaften wie Güte, Lebensfreude und Rücksichtsnahme dargestellt.

Denn natürlich ist die hier dargestellte Mehrheitsmeinung mindestens genau so menschlich. Die Geschichte hat gezeigt, dass viel "unmenschliches" mit erschreckender Regelmäßigkeit von Menschen begangen werden kann. Insofern wäre es zu leicht zu sagen, dass hier eine unmenschliche Gesellschaft mit den menschlichen Eigenschaften eines Außerirdischen konfrontiert wird.

Zuletzt ist auch Jill Herricks nicht über alle Zweifel erhaben. Ihre Situation wird dabei jedoch nicht als ein Dilemma entschieden. Denn eine Lebewesen hätte sie ohnehin töten müssen. Sie verurteilt ihren eigenen Gatten zum Tode und nimmt mit dem freundlicheren Außerirdischen im Körper ihres Mannes vorlieb. Sie entscheidet sich für die vorübergehend angenehmere Alternative, moralische Zweifel scheint sie nicht zu haben.

Dick zeigt also auf wenigen Seiten wie viele Eigenschaften "menschlich" sein können. Da er Herricks Entscheidung in keiner Weise kritisiert, zeigt er, dass Freundlichkeit die vielleicht wichtigste und belohnenswerte Eigenschaft ist. Und wenn sie vorhanden ist, ist es eigentlich auch egal, dass die freundliche Person gar kein Mensch ist.

"Menschlich ist...", 18 Seiten, 1954, erschienen in der Zweitausendeins Anthologie "Variante Zwei".

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Freitag, 18. November 2011
Von verdorrten Äpfeln
Lori wird von einem Blatt nach draußen gelockt. Ihr Mann findet es zwar nicht gut, dass sie spät noch das Haus verlässt, doch sie kann ihn überreden. Sie macht sich auf den Weg zu einem verdorrten Wald. Dort unterhält sie sich mit einem sterbenden Ampfelbaum, der ihr offensichtlich Angst macht. Sie eröffnet dem Baum, dass sie nicht wiederkommen wird, da ihr Mann die Besuche nicht gutheißt. Der Baum wirft ihr einen kleinen Apfel hinterher, den sie mitnimmt und auf dem Rückweg verzehrt. In der Nacht erwacht sie mit großen Schmerzen, ihr Blinddarm platzt, Lori stirbt. Ihr Mann und ihr Vater besuchen sieben Monate später ihr Grab und stellen fest, dass bereits ein kleiner Apfelbaum dort gewachsen ist, der blutrote Äpfel trägt.

"Von verdorrten Äpfeln" ist eine äußerst kurze Geschichte, die eine merkwürdige Handlung erzählt. Irgendetwas hat dafür gesorgt, dass ein Landstrich, auf dem früher eine Farm stand, verdorrte. Lori scheint den Ort regelmäßig besucht zu haben, ein Blatt reicht aus, um sie dorthin zu rufen. Die Unterhaltung mit dem Baum ist völlig unrealistisch. Zusammen mit den Schilderungen der verschneiten Landschaft, baut diese Konversation jedoch viel Atmosphäre auf. Loris Angst vor dem Baum ist auf den wenigen Seiten deutlich spürbar.

Unklar ist aber, was die Kurzgeschichte ausdrücken möchte. Offensichtlich werden hier Geschlechterrollen reproduziert. Während Lori ein Verhältnis zur Natur aufbauen kann, beschäftigen sich ihr Vater und ihr Ehemann ausschließlich mit Rechnungen, Geschäften und Gewinnen. Außerdem haben die beiden Herren eine Art Weisungsbefugnis über Lori. Ihr ausgesprochenes Verbot sorgt dafür, dass der Baum Lori bestraft. Insofern tragen die beiden eine Mitschuld an Loris Tod. Die Handlung um den Baum wird dadurch jedoch nicht verständlicher.

Der Apfelbaum ist umgeben von toten Bäumen. Lori hat Angst, dass der Apfelbaum ebenfalls bald sterben wird. In der Gegend gibt es zudem noch einen ausgetrockneten Fluss und eine verlassen Farm, auf der nichts mehr wächst. Das alles deutet darauf hin, dass schwerwiegende Veränderungen stattgefunden haben. Vermutlich hat der Mensch die Natur in der Gegend verändert, was ihr nicht gut bekommen ist. Das agressive Verhalten des Baumes könnte somit auch eine Art Rache an den Verletzungen sein, die ihm von den Menschen zugefügt wurde. Dagegen spricht jedoch, dass die Rache die Falsche trifft. Denn Lori hat offensichtlich soviel Sympathie mit der Natur, dass sie sie noch nicht vergessen hat.

Letztendlich könnte die Blinddarmkatastrophe zum Schluss aber auch eine "natürliche" Ursache haben. 1953 stellten Blinddarmentzündungen oder gar ein Platzen des Blinddarms durchaus ernstzunehmende medizinische Probleme dar. Lori und ihr Mann leben in einer Einöde, in der der Arzt lange braucht, bis er das Haus erreicht. Daher kann es auch sein, dass die vorherigen Ereignisse während des Spaziergangs sich in Loris Wahnvorstellungen abgespielt haben. Dem wiederspricht lediglich der Apfelbaum, der aus Loris Leiche heruaswächst und blutrote Äpfel trägt. Ein Apfelkern im Blinddarm könnte also durchaus der Auslöser für Loris Tod gewesen sein.

Insofern muss man "Von verdorrten Äpfeln" wohl als fantastische Geschichte klassifizieren, was für Dick eher ein Normalfall als eine Seltenheit wäre. Da der Baum nie selbst spricht, sondern sich hauptsächlich mit Gesten verständigt, ist die Versuchung jedoch groß, die Ereignisse andersweitig zu erklären. Das gelingt jedoch nicht. Leider fehlt der Geschichte eine Botschaft abseits der eigentlichen, etwas makabren Handlung. Da hätte man einen der beiden oben erwähnten Aspekte (Natur, Geschlechterverhältnis) noch weiter ausbauen müssen.

"Von verdorrten Äpfeln", 11 Seiten, 1953, erschienen in der Zweitausendeins Anthologie "Variante Zwei".

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Freitag, 19. August 2011
(Kurz)Gelesen: Die Haubenmacher (von Philip K. Dick)
Dr. Franklin hat eine Haube zugeschickt bekommen, trägt sie und wird kurz danach von einem Mob mit Steinen beworfen. Der Grund ist simpel: Die Haube beinhaltet Metallstreifen, die Franklin vor gedankenlesenden Mutanten beschützen. Die sind aber dafür ausgewählt worden, die Gesellschaft vor "Illoyalen" zu schützen. Wenn sie keine Gedanken lesen können, können sie dies nicht mehr tun. Da sie nicht wissen, wer die Hauben verschickt, sind sie gerade verdammt nervös und nehmen jeden Empfänger von Hauben fest...
Zunächst hat man keine Ahnung, worum es in der Kurzgeschichte eigentlich geht. Wegen einer Hutbedeckung wird man von einem Mob verfolgt? In einem für Dick typischen Gespräch zwischen drei "Offiziellen" werden dann aber die meisten Fragen geklärt. Offensichtlich dreht sich die Geschichte um eine totalitäre Gesellschaft, die Abweichler nicht toleriert.

Auf nur wenigen Seiten erzählt Dick dann eine Actiongeschichte. Franklin soll verhaftet werden, wir aber zuvor vom Hutmacher entführt. Der enthüllt Frankling, dass die Telepathen planen, die Menschheit zu kontrollieren. Das soll ihnen über ein Gesetz gelingen, das ein Freund von Franklin gerade vorbereitet. Gemeinsam macht man sich auf den Weg zu dem Senator, nur um herauszufinden, dass er ebenfalls ein Telepat ist.

Obwohl schon alles verloren scheint, gewinnen "die Guten" zum Schluss doch. Denn die Telepathen sind mit einem Psycho-Trick zu besiegen. Die Unverwundbarkeit und Überlegenheit wandelt sich in wenigen Momenten in ihre größte Schwäche. Denn die Telepathen halten untereinander ständig Kontakt und bringen sich auf einmal alle selbst um. Dadurch skizziert die Kurzgeschichte nicht nur eine nüchterne, totalitäre Gesellschaft, sondern verdeutlicht auch wie schnell der Überlegene wieder der Unterlegene werden kann.

“Der Haubenmachert”,21 Seiten, 1955, von Philip K. Dick, aus der Anthologie “Variante zwei”.

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Dienstag, 5. Juli 2011
(Kurz)Gelesen: Ein Geschenk für Pat
Eric Blake hat seiner Frau Patricia von einer Minenexpedition auf Ganymed ein ungewöhnliches Geschenk mitgebracht: Einen Gott. Es handelt sich zwar nur um einen unbedeutenden Regengott der Ganymedianer, doch Eric ist mächtig stolz auf seine Neuerwerbung. Leider verhalten sich sein bester Freund und seine Frau gegenüber dem kleinen Gott nicht besonders freundlich und so finden sie sich kurz darauf als Kröte und als Steinfigur wieder.

Die Kurzgeschichte lebt in erster Linie von ihrer Skurrilität. Der Gott wirkt wie ein lebendiger Gartenzwerg, der recht eitel ist. Dabei ist er die ganze Zeit in einem Pappkarton mit etwas Stroh, er wird also fast wie eine Art Kanninchen gehalten. Dieses Winzwesen bringt die ganze Erde der Zukunft durcheinander.

Dick gelingt es auch in "Ein Geschenk für Pat" wieder, in wenigen Nebensätzen eine neue Welt zu erschaffen. Die Erde wird von einem einzigen Konzernchef regiert, der eigentlich machen kann, was er will. Daher haben auch alle viel Angst vor ihm, ihre Arbeitsplätze und indirekt auch ihr Leben hängen von dieser einen Person ab.

Die intelligenteste Idee ist letztendlich die Aufklärung der Gottesfrage. Die Erde der Zukunft scheint enorm wissenschaftlich geprägt zu sein, zumindest können die meisten mit dem Begriff "Gott" erst einmal nichts anfangen. Der Gott, der eindeutig über übersinnliche Fähigkeiten verfügt, erklärt seine Macht durch seine Herkunft. Er kommt nämlich aus einer anderen Dimension und möchte einen Verbrecher fassen. Deswegen ist er in die Dimension der Menschen vorgestoßen und wird aufgrund seiner starken Macht als Gott verehrt.

Die Reaktionen der Forscher sind dieselben wie in "Und jenseits - das Wobb". Nur dies Mal wollen sie das Wesen nicht aufessen, sondern erst einmal sezieren, um an seine Geheimnisse zu kommen. Die Geschichte drückt also nicht nur durch die Regierungsform Dicks Zukunftspessimismus aus, sondern skizziert auch wieder einmal Dicks Menschenbild. In dem zerstört der Mensch erst einmal alles, was ihm fremd ist, in der Hoffnung, es danach besser zu verstehen.

Leider ahnt der Leser sehr schnell, wer wohl der Verbrecher ist, den der kleine Gott sucht. Dadurch geht zwar viel Spannung verloren, aber die Kurzgeschichte ist dennoch kurzweilig und wirkt aufgrund des kaninchenähnlichen Pseudo-Gott recht skurril.

“Ein Geschenk für Pat”,25 Seiten, 1954, von Philip K. Dick, aus der Anthologie “Variante zwei”.

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Sonntag, 26. Juni 2011
(Kurz)Gelesen: Frühstück im Zwielicht
Tim McLean frühstückt mit seiner Familie an einem ganz normalen Schultag. Auf einmal stehen drei Soldaten in der Tür und wundern sich, dass es in dem Haus nicht nur eine Frau und Kinder gibt, sondern sogar etwas zu essen. Das Essen wird beschlagnahmt, die Soldaten beratschlagen darüber, ob sie die Familie McLean einfach verbrennen sollten. Kurz darauf kommt ein politischer Offizier und klärt den Sachverhalt auf: die McLeans wurden acht Jahre in die Zukunft katapultiert und haben somit den Ausbruch des dritten Weltkrieges verschlafen...

Es ist relativ schnell klar, dass die Familie irgendwie in die Zukunft gereist sein muss. Der älteste Junge möchte zur Schule und findet vor der Tür nur einen dichten Nebel vor, dem Soldaten entspringen. Anhand ihrer Sprache kann man bereits erkennen, dass ein Krieg mit Russland am Laufen sein muss.

Ein russisches Bombardement scheint so große Zerstörungen verursacht zu haben, dass an der heftigsten Stelle ein Zeitstrudel entstand, der das Haus aus der Vergangenheit ansaugte. Nun bleiben den Eltern nur zwei Optionen. Sie können ihre Kinder in Kriegserziehungslager schicken und sich selbst an die Front beziehungsweise in die Frauenarbeitsanstalt oder sie bleiben im Haus, warten auf das nächste Bombardement und hoffen auf einen Rückkehrstrudel. Diese Haupthandlung ist leider ziemlich dämlich. Denn nie zuvor scheint so ein Strudel geschehen zu sein. Dass er jetzt gleich bei zwei Bombardements stattfindet, wirkt doch sehr seltsam.

Der Höhepunkt der Geschichte ist jedoch, als die Eltern darüber disktuieren, warum es sich lohnt, zurückzukehren. Denn sie können sich ja nicht sicher sein, dass ein zweiter Zeitstrudel entsteht. Stattdessen könnten sie auch einfach im Flächenbombardement sterben. Gemeinsam überzeugen sie sich jedoch, dass sich eine Rückkehr lohnt, obwohl ihnen auch zuhause gerae einmal fünf Jahre bis zum Krieg bleiben. Dabei werden noch einmal eindringlich die Zustände im "totalen Krieg" analysiert.

Die Rückkehrszene ist ebenfalls recht intensiv. Tim McLean hat in der Zukunft erlebt, wie die gesamte Stadt eine einzige Ruinenlandschaft ist. Bei der Rückkehr wird das Haus komplett zerstört, die Familie kann sich nur im Keller retten. Die verängstigten Anwohner drängen Tim sofort dazu, die Schuld einem Heißwasserboiler zu geben, damit sie wieder beruhigt sein können. Nach einigem Drängen tut er ihnen diesen Gefallen, obwohl er dabei daran denkt, wie das Viertel in acht Jahren aussehen wird.

"Frühstück im Zwielicht" glänzt mit einem überraschenden Anfang und einem starken Schluss. Nur leider ist die Grundannahme, auf der die Geschichte basiert, recht unsinnig.

“Frühstück im Zwielicht”, 23 Seiten, 1954, von Philip K. Dick, aus der Anthologie “Variante zwei”.

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Dienstag, 21. Juni 2011
(Kurz)Gelesen: Das Spiel mit den Kugeln (von Philip K. Dick)
Die Menschheit beschäftigt sich mit Kugeln. Nachdem die Erforschung des Sonnensystems kein neues Leben gefunden hat, ist die Menschheit desillusioniert. Außerdem haben die Menschen zu viel Freizeit, denn die Roboter übernehmen alle Aufgaben. Gegen Langeweile hilft seit über 100 Jahren ein Gerät einer Firma: Die Weltkugel. Nachdem man sie gekauft hat, wird auf subatomarer Ebene eine Welt erstellt. Durch die richtige Feinjustierung kann man dadurch ganze Zivilisationen erschaffen. Doch auf Dauer lenkt das die Menschen auch nicht ab. Mittlerweile ist es ein neuer Trend, die Zivilisationen zu erschaffen, um sie danach zu zerstören.

Nathan Hull stört das, denn er leidet mit den vielen, kleinen Zivilisationen, die vernichtet werden. Daher versucht er die Weltkugeln zu verbieten, scheitert im Parlament jedoch kläglich. Überraschenderweise ist das Verbot nach der Parlamentssitzung jedoch gar nicht mehr nötig. Denn die Erde hat endlich Kontakt mit Außerirdischen aufgenommen und neue besiedelbare Planeten entdeckt, wodurch die Menschheit wieder einen Sinn hat.

Die Geschichte wirkt ungewohnt belehrend. Anstatt Phänomene im Rahmen einer Geschichte kennezulernen, werden einem die Geheimnisse der Weltkugeln in einem langen Gespräch zwischen Nathan Hull, seiner Freundin und einem Freund beigebracht. Dadurch lernt man zwar deutlich mehr Zusammenhange kennen als in anderen Geschichten Dicks, doch das Ganze wirkt halt dozierend und belehrend.

Das Direktorium, das basisdemokratische Parlament der Zukunft ist sehr interessant. Hier werden demokratische Methoden angewandt, die zum Erscheinen der Kurzgeschichte äußerst kühn sein dürften und auch heute nicht alle möglich oder gewollt sind. Zwar geht dieser Politikansatz von einer krassen „rational choice“ aus, die es so nicht geben dürfte und kann, interessant sind jedoch die Abstimmungsmodi und die direkte Einteilung in Interessensgruppen anstatt Parteien. Es ist zwar nicht klar, ob man dadurch einen Einblick in Dicks Politikvorstellungen der 50er Jahre bekommt oder ob es sich hier um ein Anti-Beispiel handelt, lesenswert ist es dennoch.

Der letzte Abschnitt der Kurzgeschichte verwundert zunächst. Die Stimmung ist ungewohnt optimistisch. Nathan hat seinen Antrag zwar nicht durchbringen können, doch mit der Entdeckung von Außerirdischen ist der Faszination der Weltkugeln erst einmal ein Ende gesetzt. Es herrscht Aufbruchstimmung, alles erscheint positiv. Das wäre für eine Dick-Kurzgeschichte geradezu merkwürdig.

Doch auf der letzten Seite, als Nathan seine Freundin nach Hause bringen möchte, ereignet sich ein heftiges Erdbeben, das den Pazifik erschüttert.Nathans Reaktion lässt vermuten, dass der Erde und der Menschheit ein schlimmes Schicksal bevorsteht. Denn warum sollten die Menschen, die in der Lage sind, kleinere Weltkugeln zu bauen, nicht ebenfalls in einer solchen stecken?

Diese Idee, dass viel Welten ineinander verschachtelt sind und sich halt in erster Linie durch die Größe unterscheiden, ist sehr gelungen. Zwar wird dieses Konzept zunächst sehr dozierend vermittelt, doch das überraschende Ende entschädigt dafür völlig.

“Der Ärger mit den Kugeln”,25 Seiten, 1953, von Philip K. Dick, aus der Anthologie “Variante zwei”.

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Donnerstag, 2. Juni 2011
(Kurz)Gelesen: Projekt: Ende (von Philiip K. Dick)
In einer Mietswohnung beobachtet eine Gruppe von Kindern Edward Billings durch Schlüsselloch. Der alte Mann arbeitet permanent an einer Art Bericht. Die Kinder fürchten zunächst, dass er ein kommunistischer Spion ist, sind dann jedoch der Ansicht, dass ihm dazu einfach der Bart fehle. Tommy ist ganz besonders mutig, er kehrt später zurück, um bei Billings einzubrechen. Der Bericht ist eine detaillierte Übersicht aller menschlicher Aktivitäten auf der Erde. Auf Billings Terasse findet Tommy dann jedoch eine Sensation: Billings hat dort kleine, menschenähnliche Lebewesen. Als Tommy sie sich genauer betrachtet, tritt Billings dazu. Er eröffnet Tommy, dass es sich bei den kleinen Lebewesen um Projekt C handelt. Nachdem Projekt A (Flugkreaturen) und Projekt B (die Menschen) gescheitert sind, musste ein neues Projekt her. Wichtig ist dabei nur, dass das dritte Projekt nicht wie das zweite von dem vorherigen Projekt korrumpiert wird. Das interessiert Tommy aber herzlich wenig, er sieht in den kleinen Männchen Spielfiguren, die er haben muss. Daher stiehlt er den Kasten kurzerhand...

Die Menschheit als Projekt von Außerirdischen, das außer Kontrolle geraten ist.Dicks Fantasie rüttelt auf wenigen Seiten an manchem Weltbild. Es ist zwar unvorstellbar, dass es vor den Menschen eine fliegende Spezie auf der Erde gab, doch die Außerirdischen hätten ja leicht alle Spuren beseitigen können. Interessant ist hierbei vor allem das Verhalten von Tommy. Billings eröffnet ihm recht direkt, dass die Zeit der Menschheit abgelaufen ist. Das Projekt B ist gescheitert, die Menschen bekriegen sich zu sehr. Das ist Tommy aber völlig egal, ihm geht es nur um den Besitz der kleinen Lebewesen.

Er rettet die Menschheit also damit, dass er aus reiner Gier handelt. Denn sein "Spiel" mit dem Projekt C korrumpiert dieses natürlich. Tommy beginnt, den kleinen Lebewesen Kleidung zu basteln. Außerdem zeigt er ihnen gewisse soziale Konventionen, die eigentlich menschlich sind.

Es wird in der Geschichte nicht angesprochen, wie die Aktionen auf die Lebewesen wirken. Aber man kann sich gut vorstellen, dass Tommies Verhalten gottähnliche Eindrücke erschaft. Schließlich "gibt" er ihnen die Kleidung und andere Gegenstände. Wenn die Menschheit auf ähnlich Weise "korrumpiert" wurde, ist es das auch eine Erkärung, wie sich religiöse Mythen bilden konnten.

Der Film "Matrix" begeisterte 1999 viele mit der Idee, dass die Welt, in der wir Leben nicht die ist, die sie scheint. Zwar lebt die Menschheit in "Projekt: Ende" auf einem realen Planeten und nicht in einer Art Cyber-Space, dennoch gibt es gewisse Paralllelen. Denn das Schicksal der Menschheit ist relativ verplant. Eigentlich war das Projekt gesteuert geplant. Die Menschheit konnte sich zwar der fremden Kontrolle entziehen und autonom werden, zieht dabei aber die Zerstörung auf sich. Letztendlich ist die Menschheit also doch nicht unabängig, sondern gelenkt. Dieser auch nach beinahe 60 Jahren noch immer moderne Gedanke, macht die Kurzgeschichte zu einer vergnüglichen und dennoch etwas nachdenklichen Lektüre.

Etwas ärgerlich ist die Übersetzung des Titels. Wie man von "Project: Earth" auf "Projekt: Ende" kommt, ist für mich relativ unverständlich.

“Projekt: Ende”,30 Seiten, 1953, von Philip K. Dick, aus der Anthologie “Variante zwei”.

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