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Gelesen: Wächter des Tages (von Sergej Lukianenko)
Wie in WÄCHTER DER NACHT werden in Wächter des Tages drei Operationen beschrieben. Im Gegensatz zum ersten Band der Reihe werden sie diesmal jedoch nicht ausschließlich aus der Sicht der Nachtwache erzählt, sondern auch aus der Sicht der Tagwache.
Schon im letzten Band deutete sich an, dass hinter den Aktionen der Lichten und der Dunklen ein höherer Plan steht. Dieser Verdacht erhärtet sich in diesem Buch.
Gleich im ersten Teil wird die dunkle Hexe Alissa vom Dunklen Tagwachen Chef Sebulon als Bauernopfer verwendet, um einen Lichten Magier vor die Inquisition zu bekommen. In den nächsten beiden Teilen wird die zukünftige lichte Großmeisterin Swetlana durch einen Zwielichschatten geschwächt und im dritten Teil stellt sich heraus, dass die Lichten die Geburt eines neuen Messias planen, während der Plan der Bösen nicht ganz ersichtlich wird…

Bevor ich mir die ersten drei Bücher dieser Reihe gekauft habe, wurde mir gesagt, dass sie alle ganz gut seien. Das einzige Manko sei nur, dass man die ganze Zeit erwartet, dass es nun richtig los gehen würde und dann passiere doch nichts.

In gewisser Weise stimmt das. Das Gleichgewicht der Kräfte zwischen Licht und Dunkel ist sehr fragil. Beide Seiten ringen um den kleinsten Vorteil und die Inquisition hat alle Hände voll zu tun, das Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Die ganze Zeit erwartet man eigentlich, dass die offene Konfrontation sofort losgeht.

Doch jedes Mal sind es gewöhnliche Wächter der Wachen, die dafür sorgen, dass das Gleichgewicht der Kräfte doch noch gewahrt bleibt. Jedes Mal kann die Katastrophe noch weg geredet werden.
Klar ist aber, dass Sebulon, der Chef der Tagwache, irgendetwas plant. Doch auch die Lichten planen eine große Veränderung der Welt und sind dabei gewillt, einige Millionen Tote einzukalkulieren. Und auch sie sind bereit, Bauernopfer zu riskieren.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass am Ende keine der beiden Seiten obsiegt. Zum Schluss müssen sie beide einen herben Verlust verkraften.
Es ist auch nicht verwunderlich, dass die Grenze zwischen Licht und Dunkel immer weiter verschwimmt. Die Dunklen kämpfen für die Freiheit. Die Freiheit, tun und lassen zu können, was man möchte. Wenn ich jemandem helfen möchte, dann tue ich das. Wenn ich jemanden töten möchte, dann tue ich das. Wenn mich jemand daran hindert, dann habe ich halt Pech und muss sehen, ob ich stärker bin oder nicht.
Die Lichten wollen Ordnung.
Ganz zu erklären sind beide Theorien nicht. Im Buch wirken sie aber logisch und in sich schlüssig.

Mit “Wächter des Tages” wird die Wächter-Welt noch ein wenig komplizierter. Doch das ist genau das Angenehme. Man weiß nicht, was geplant wird. Man weiß auch nicht, wie alles enden wird.
Und dennoch ist das Buch enorm spannend. Denn es sind die einfachen Wächter der Nacht- und der Tagwache, deren Geschichten erzählt werden. Sie wissen meist selbst nicht genau, was ihre Chefs für sie geplant haben und können nur hoffen, kein Bauernopfer zu sein.
Und so erfährt man mit ihnen dann immer mehr Mosaiksteinchen des Puzzles. Leider erfährt man am Ende aber nicht alles. Das ist aber auch verständlich, schließlich gibt es ja noch einen dritten Teil.

Dazwischen glänzt “Wächter des Tages” aber auch durch viele einfallsreiche Ideen und gute Beschreibungen. Der Zwielicht-Schatten im zweiten Teil ist so ein Einfall. Ein enorm starker, dunkler Magier taucht auf einmal auf. Niemand weiß, was er will. Am Ende stellt sich heraus, dass er aus dem Zwielicht entstanden ist, um das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkel wieder herzustellen. So etwas geschieht immer, wenn auf einer Seite ein übermächtiger Magier entsteht. Die Seite kann dann wählen, opfert man den Großmagier oder eine enorme Anzahl von einfachen Wächtern. Der Schatten hört erst auf zu existieren, bis eine bestimmte Anzahl Lichter/Dunkler Anderer getötet worden sind. Wie sich die Chefs bei den Lichten bei dieser Zwickmühle entscheiden ist schockierend…
Eine gute Beschreibung ist zum Beispiel das Pionierlager im ersten Teil. Hier wird die Atmosphäre, die in diesem Jugendlager herrscht wunderbar beschrieben.
Überraschenderweise ist der erste Teil sogar eine Liebesgeschichte, die aber natürlich tragisch endet.

Zwischendurch werden regelmäßig philosophische Gespräche über die Beschaffenheit von Licht und Dunkel geführt. Besonders interessant ist dabei zu Beginn des Buches ein Taxi-Fahrer, der meint, das Licht sei besser, weil sie sich an Moralvorstellungen halten. Ein Beispiel dafür sie das Gebot, du sollst nicht töten. Aber gerade das machen auch die Lichten. Und selbst der Taxi-Fahrer wäre sofort bereit geiselnehmende Terroristen an die Wand zu stellen. So weit also zu den Moralvorstellungen.
Interessant ist das Gespräch aber vor allem, weil in diesem eine dunkle Hexe sich letztendlich mit Argumenten die Ansicht durchsetzt, dass die Dunkle Seite eigentlich die humanere und menschlichere ist.

Auch in “Wächter des Tages” gibt es eigentlich kein hell und dunkel, sondern nur das Ringen zwischen zwei Gruppierungen. Das ist aber sehr gelungen dargestellt und enorm spannend. Zwischendurch glänzt es immer noch durch philosophische Gespräche über das Gute und das Böse in der Welt. Insgesamt ist der zweite Teil der Reihe mindestens so gelungen wie der erste, wenn nicht gar noch besser.

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