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Donnerstag, 17. Mai 2012
Gelesen: Imperium (von Christian Kracht)
Der Deutsche Engelhardt hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Vision. Der überzeugte Vegetarier glaubt fest daran, ein besserer Mensch zu werden, wenn er sich ausschließlich von Kokosnüssen ernährt. Daher siedelt er in eine deutsche Pazifikkolonie über und betreibt dort eine Kokosnussplantage. Er hält stoisch an seinem Ziel fest, sich ausschließlich von Kokosnüssen zu ernähren. Dabei räumt er vermeintliche Jünger aus dem Weg und ignoriert die Welt, die um ihn herum untergeht.

Dem Roman kann zugute gehalten werden, dass er äußerst dicht erzählt ist. Auf gerade einmal etwas mehr als hundert Seiten wird nicht nur Engelhardts krudes Gedankenwerk ausgebreitet, sondern auch die Geschichte vieler anderer Inselbewohner erzählt. Kracht schafft dabei in erster Linie Stereotypen, die im Lauf des Romans keinerlei Wandlungen durchlaufen. Das gelingt ihm aber gut, man kann sich die meisten Typen sofort vorstellen. Oft sind die Charaktere merkwürdig genug, um Interesse zu erwecken.

Kracht bemüht sich dabei immer, die großen Konflikte der jeweiligen Zeit mit einzubinden. Daher wimmelt es von Rassisten, Antisemiten und Fortschrittsgläubigen. Das ist teilweise recht anstrengend. Indem Kracht überkommene Denkmuster darstellt, produziert er viele rassistische Szenen. Die Einwohner der Inseln sind extrem primitiv dargestellt. Kritisch dürfte vor allem sein, dass Kracht Kanibalismus als bewiesene Tatsache ansieht. Krachts Bemühen auf die Denkweisen der damaligen Zeit einzugehen, ist weitestgehend anstrengend. Das liegt in erster Linie daran, dass es tatsächlich bemüht wirkt.

Engelhardt entfernt sich im Laufe des Romans der Zivilisation immer mehr. Es geht ihm psychisch und physisch immer schlechter. Zwei Jünger schließen sich ihm nacheinander an. Beide entfernt Engelhardt auf herzlose Weise aus seiner Welt. Das Ende des Romans suggeriert, dass Engelhardts Kokosnussdiät tatsächlich ein kleines gesundheitliches Wunder (eine Lepra-Heilung) vollbringen kann. Dabei verfällt Engelhardt in alberne Marotten (Daumenlutschen), Selbstkannibalismus und Mordlust. Das ist meist eklig zu lesen. Völlig überrascht ist der Leser, als Engelhardt nach dem zweiten Weltkrieg ohne weiteres in der Lage dazu ist, amerikanischen Soldaten seine Lebensgeschichte zu erzählen. Nachdem er zuvor nicht in der Lage war, zu einem Freund ein Kommunikationsverhältnis aufzubauen, ist das Ende verwirrend und wirkt unrealistisch.

„Imperium“ ist an den Stellen stark, in dem man den Habitus eines maroden Reiches und dessen mörderischer Lebenseinstellung spüren kann. Dass man aus dieser Lebenseinstellung nicht entfliehen kann, indem man auf eigene Faust versucht, einen utopischen Lebensentwurf in die Realität umzusetzen, zeigt das Schicksal Engelhardts. Doch leider geht dieser Teil der Geschichte zu oft hinter ekligen Wunden Engelhardts, primitiven Ureinwohnern und kindermissbrauchende Kapitänen unter.

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