Dieser Radiotatort hat eine besondere Erzählstruktur. Denn Garthmann ist nicht einmal als V-Mann unterwegs. Da er zu Beginn der Folge einen Auftrag ablehnt, erhält er später keine Unterstützung von der Polizei. In dem ganzen Fall tritt somit nicht ein Mal die Staatsgewalt in Aktion, stattdessen muss Garthmann versuchen, alles selbst aufzuklären.
Das Hörspiel ist durchgehend mit Zwischenszenen gefüllt, in denen Menschen offensichtlich große Schmerzen zugefügt werden. Der Hörer kann bis zum Schluss jedoch nur erahnen, worum es sich dabei handelt. Die Hinweise deuten auf eine organisierte, kriminelle Vereinigung hin.
Die Familie Pamur ist tief zerstritten. Frau Pamur hat den Tod ihres Vaters nie überwunden, obwohl dieser Jahrzehnte zurückliegt. Gleichzeitig möchte die verbitterte Frau unbedingt verhindern, dass ihr Sohn die Werft übernimmt. Mit der Gattin ihres Sohnes kann sie sich gar nicht verstehen. Mehrfach gerät Garthmann in Streitszenen der Familie. Die sind zwar gut gesprochen und wirken überzeugend, sind teilweise allerdings etwas lang und nehmen in dem Hörspiel zu viel Platz ein.
Der Fall lebt von zwei Komponenten. Erstens wirkt Garthmann sehr sympathisch. Im Vergleich zu der hysterischen Pamur-Familie erscheint er besonnen.Und auch wie er mit seinem sich überraschend einstellenden Erfolg umgeht, wirkt angenehm bodenständig. Zweitens wird durch die vielen Zwischenszenen viel Spannung aufgebaut. Es entsteht der Eindruck, als würde immer dieselbe Person gefoltert werden. Dadurch wäre die angespannte Lage im Hause Pamur zu erklären.
Es bleibt jedoch dabei, dass die Pamurs sich einfach untereinander zerstritten haben. Aufgrund der verbitterten Mutter und des geringen Widerstand des Sohnes, verbunden mit einem schwachen Heiner Pamur und einem kriselnden Geschäft ist der Konflikt aber verständlich.
Das Finale übertrifft diese beiden Elemente bei weitem. Zwar gibt es durchaus Kriminelle und stereotyper Weise handelt es sich dabei um Gastarbeiter. Es gibt aber keineswegs einen Art Mafia, die in Wedel an der Arbeit ist. Stattdessen haben die Pamurs das Problem selbst verursacht. Sie übernahmen zu viele Aufträge und sind deswegen in erster Linie – gerade bei dem Bau der „blauen Yacht“ – auf billige Arbeitskräfte aus osteuropäischen Ländern angewiesen. In dieser Rahmenhandlung wird sowohl auf die schlechte Bezahlung als auch auf die nicht vorhandene Versicherung bei Arbeitsunfällen eingegangen. Die Schilderung der „Beseitigung“ eines Arbeitsunfalls ist sehr beklemmend.
So erhält dieser spannende und sympathische Radiotatort zum Ende noch eine sozialkritische Komponente. Dass er darüber hinaus größtenteils in meiner Heimatstadt Wedel spielt, macht ihn zusätzlich sympathisch. „Die blaue Yacht“ ist ein unterhaltsamer Hamburger-Radiotatort, ohne großen Fall, dafür aber mit einer interessanten Rahmenhandlung.
Die Episode steht noch bis zum 21. Mai auf der Homepage der Serie zum Download zur Verfügung.